Im Rahmen ihres Workshops erklärte eine medial begabte Person, dass Menschen, die sich selbst das Leben nehmen, in einem trüben Zwischenreich hängen blieben. Diese Aussage fand ich völlig unpassend im Vergleich zu dem, was das Medium sonst zu Leben und Tod preisgab. Hört denn diese Angstmacherei nie auf, dachte ich bei mir. So sehr ich mich daran störte, steckte ich im Dilemma fest, dass ich entweder alles glauben musste oder nichts. Dunkelsichtig wie ich bin fehlte mir das nötige Licht, um diese jenseitige Angelegenheit angemessen zu beurteilen.
Durch Zufall wurde mir eine Auskunft zugetragen, die meine verzwickte Lage auflöste: Der Bruder einer Bekannten, einst ein erfolgreicher Privatunternehmer, hatte sich vor Jahren von einem Baukran gestürzt. Meine Bekannte, die besagtem Medium privat nahesteht, erfuhr von ihr, dem Bruder gehe es gut.
Er befinde sich in der Schule des Lebens.
Was gilt nun? Entscheidend ist, dass im einen Fall das Medium öffentlich spricht, im anderen privat. Seit Menschengedenken schmoren Selbstmörder in besonderen Höllen. Keine Kultur, keine Epoche überlässt ihren Leuten freien Umgang mit dieser Thematik, die uns ins Mark geht. Also steht noch heute ausser Frage, dass man Selbstmord öffentlich gutheisst, geschweige denn verharmlost. Menschen überleben zu einem Gemeinwesen gruppiert, dem es schon deshalb zusetzt, dass seine Mitglieder natürlicherweise wegsterben. So gesehen wird das Tabu verständlich, das dem Selbstmord anhaftet, wenn Personen sogar aus freien Stücken abtreten.
Theoretiker der Moral bemühen keinen Zorn Gottes, wenn sie dieses Tabu bekräftigen. Stattdessen sollen wir eine logische Sinnwidrigkeit einsehen, die mit dem Selbstmord einhergeht. Sie lautet: Wir sind nicht in der Lage zu wollen, dass unsere Freiheit aufhört. Auf den Punkt gebracht:
Niemand kann wollen, dass er nicht mehr will.
Sofern Selbstmörder lachen, dann über dieses Argument. Zu wollen, dass ihr persönlicher Wille aufhört, ist ihnen eine zweckmässige und praktische Zielsetzung, die sie mit beispielloser Entschiedenheit in die Tat umsetzen.
Was Menschen angeht, und es betrifft nur sie, so ist ihr Freitod, gerade bei sorgfältiger Planung, als ein natürlicher Tod anzusehen.
Es ist uns gegeben, dass wir unseren Willen gegen uns selbst richten. Das macht uns Menschen aus.
Und der Selbstmord bringt es in einer Klarheit auf den Punkt, von der wir uns lieber abgewandt halten.
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