Wenn man Regeln, Statuten, Ordnungen erarbeitet und für verbindlich ausgibt, kommt sehr oft die Freude auf, dass die Dinge nun endlich von selbst ablaufen. Eine Automatik wird eingerichtet, als wär’s ein Stück Natur.
Der Augenblick beschlossener Regulierung wirkt sogar feierlich. Man hat Wichtiges geleistet, denn nun erübrigen sich Debatten zwischen Tür und Angel, die doch unnötigerweise so aufreibend sind und ständig neu aufflammen.
Die Leute sind täglich mit allerhand beschäftigt. Jede Regelung entlastet sie davon, dass sie sich auch noch darum zu bekümmern haben, was sich doch ein für alle Mal verwalten lässt.
Jede Tradition bedeutet ein Regelwerk, das mit seinen Bräuchen und Zyklen eine immense Entlastung bietet. Unter anderem führen Mann und Frau ihr Leben in vorbestimmten Rollen. So klar und einfach wäre das. Man wünscht sich diese Klarheit zurück. Aber ohne mühsame Rechtfertigung ist Tradition heute nicht mehr zu haben. Das Debattieren wäre damit nicht abgewehrt, im Gegenteil.
Bei faktischer Gleichberechtigung verschwimmen die Rollen. Die Dinge werden andauernd neu ausdebattiert. Das kann mit der Zeit an die Nieren gehen. Umgekehrt ist allerdings bekannt, dass die Leute in Depression versinken, wenn die Dinge tagein tagaus einfach nur ablaufen wie eine Automatik.
In solchen Momenten, wo die Sachlage unauflösbar scheint, erinnere ich mich gerne an das Lehrerseminar zurück, das ich in den Achzigern besuchte. Nach all den Jahren ist es zu einer blanken Gegenwelt geworden, die zum Vergleich unerhört einträglich ist, auch wenn es sie heute nicht mehr gibt. In diesem Seminar gab es zum Beispiel keine Hausordnung. Die einzige Regel, die nie zur Verhandlung stand, war die Anwesenheit bei Frühstück um 7 Uhr. Der Leiter dieses Seminars, ein ehemaliger Pallottiner, stellte sich nur selten quer, sicher aber immer dann, wenn die Bestrebung wiederkehrte, endlich eine Hausordnung zu erlassen. Dann stand er auf und gab bekannt, er werde, wenn die Dinge nur noch abliefen, gezielt Sand ins Getriebe streuen.
Im Einklang mit der abendländischen Lehre vom Menschen sah er darin, dass man die Dinge täglich neu aushandelt und neu ausrichtet, die pure Lebendigkeit des Geistes am Werk.
Eine völlig befremdliche Sichtweise angesichts heutiger Regulierungen.
Auf die Frage, was Geist sei, wäre damit eine Antwort gefunden, die überdies, wie zum Ausgleich, wunderbar materialistisch ist. Nämlich:
Geist ist Sand im Getriebe.
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