Universität Konstanz, Exzellenz und Asbest. Die Bibliothek, wo ich vor Jahren zugange gewesen war, öffnete jüngst wieder ihre Tore. Vom Strande kam ich mit Gummilatschen und beschloss, einen Abstecher dahin einzulegen. Niemals hätte ich mir ausmalen können, dass ich den Ort schamerfüllt wieder verlassen würde.
Der Spind für Gäste stellte infolge Selbstprogrammierung eine erste Herausforderung an mich. Die Badesachen irgendwo aufzuhängen, war selbst auf eignes Risiko neuerdings unmöglich gemacht. Als ich Hilfe holte, kam ich mir wie ein Betagter vor, der darüber verwirrt ist, dass beim Scrollen die Angaben nach oben oder nach unten verschwinden.
Mit Wehmut nach einer Zeit des leichtfüssigen Glücks trotz besonderer Ansprüche durchkämmte ich Gänge, Treppen und Flore der Bibliothek. Einfach so. Die Filzböden waren entfernt worden und mit ihnen die Fäulnisflecken in ihrer herrlichen Ästhetik. Auch standen keine Eimer mehr herum, das Regenwasser aufzufangen.
Die Arbeitsplätze waren dicht belegt. Ebenso gesammelt und ernst lasen die jungen Menschen, schrieben, strichen an, beschrifteten Karten. Irgendwann stellte ich fest:
Niemand schlief.
Keiner hatte den Kopf auf die Arme gelegt, oder die Jacke auf dem Tisch ausgebreitet. Vielleicht war es Zufall, vielleicht standen gerade Prüfungen an. Zu meiner Zeit jedenfalls stieg man über Schlafende sogar zwischen den Regalen.
Damals herrschte noch kein Bologna-Regime, fiel mir jetzt ein. Niemand war bestrebt, Punkte zu sammeln, die höchstmöglich veranschlagt waren. In Sachen Berufsaussichten überwog unter uns eine souveräne Gleichgültigkeit, die heute blanker Hohn wäre.
Da merkte ich, dass meine Schuhe die ganze Zeit über einen abscheulichen Ton von sich gaben. Sie quakten auf diesem glatten Belag.
Die völlige Terminfreiheit, die ich genoss, erschien mir auf einmal als Privileg, das die Studierenden hier wohl nur vom Hörensagen kannten. Nun waren sie über ihre Arbeiten gebeugt, mit zig Abgabeterminen im Nacken und mit Leistungsnachweisen eingedeckt, umgeben von einer krisengeschüttelten Union, und inmitten einer Moderne, die keinen Aufschrei vollführt, obwohl man ihre Werte unterläuft, verunsichert auch, ob der Bachelor, den sie anpeilen, nicht doch zu einer verdeckten Ausbeutung führt, wie einige vermuten.
Von Aussichten dieser Art hatte ich keine Ahnung. Das Quaken meiner Strandlatschen musste die jungen Menschen mit Hass erfüllen.
Ich floh zum Ausgang.
Aber mit einem idiotisch bedächtigen Gang.
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