Preussische Härte hat einen üblen Ruf. Nicht zuletzt deshalb, weil Hitler und seine Gefolgschaft ihr anhingen. Offenbar diente ihm das Bild Friedrich des Grossen als Ikone im Bunker. Wie kann man diese Härte verständlich machen? Auch wenn von ihr bloss die Berliner Unfreundlichkeit geblieben ist, verschuldet sie epochales Leid, wie leicht zu belegen ist.
In der ruinierten Gedächtniskirche zu Berlin sind Reliefs zu sehen, die in dieser Frage Klarheit geben: Der Preussenkönig Friedrich Wilhelm III. übergibt seinem zehnjährigen Prinzen den Säbel. Man wird das Kind in den Krieg schicken müssen, wo es Lorbeerkranz und Distelranken ernten wird.
Im Giebeldreieck darüber prangt die Erweckung des Jünglings von Nain durch den Nazarener Jesus.
Auf der Gegenseite wird das Drama im Garten Gethsemane, dass der Wille des Herrn geschehe und es keine Schonung für den Sohn gibt, ebenso unmittelbar in eine Strategiebesprechung mit Kaiser und Bismarck übersetzt, die wiederum genau darunter liegt.
Auch die Preussen waren mit der Frage beschäftigt, wie man trotz kriegerischer Brutalität ein guter Mensch bleiben kann. Immerhin. Auch die harte Hand Friedrich des Grossen war sich das Flötenspiel gewohnt und ebenso gewisse Belange von Zärtlichkeit. Wie geht das zusammen? Wie kann der Monarch eine Melodie ersinnen, die sich zu Bach’s Musikalischem Opfer entfaltet, wenn seine Feldweibel in der Garnisonstadt Potsdam Rekruten zu Tode schinden?
Erst auf dem Fernsehturm wurde mir die Dringlichkeit dieser Art deutlich: Kein Schutz weit und breit, kein Gebirge, kein Meer auf keiner Seite. Nur Sumpfgebiete und Rinnsale von Flüssen. Brandenburg als Wiege Preussens wurde von Völkern aus allen Richtungen mehrfach überrannt und geschändet: Sachsen, Schweden, Österreicher, Franzosen. Es heisst, ein ganzes Volksgedächtnis sei zur Zeit der Glaubenskriege wie ausgelöscht worden.
Wer keinen Schutz hat, muss selber Panzer sein.
Das klingt weniger nach preussischer Art, als eher nach Art überhaupt des Menschen unter ganz bestimmten Umständen.
Härte antwortet auf Härte. Und wird erneut mit Härte zerschlagen.
Davon wiederum zeugen die Ruinen der Berliner Gedächtniskirche, aber auch die erste Atombombe, die eigentlich für diese Stadt gedacht war.
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