Fussball fand ich immer rüpelhaft. Es gab mir auch handlich Gelegenheit, dass ich mich in feinsinniger Künstlerschaft oder Ähnlichem davon absetzte. Meine abfällige Meinung bestand bis vor Jahren, als ich durch Fernsehkanäle zappte. Seither ist dieser Sport in meinen Augen sogar zu einer Kultur geworden.
Aber ich rühre deshalb kein Bein, auch ergehe ich mich nach wie vor in Gleichgültigkeit darüber, wer wann warum gewinnt. Wie ging dieser Gesinnungswechsel ab? Zuerst sah ich eine Sendung über Peruanerinnen, die in ihren Pausen Fussball spielten. Der ballähnliche Gegenstand schien sämtliche Spielerinnen zugleich anzuziehen. So zog ein ganzer Haufen jubelnder Frauen kreuz und quer durch die Landschaft. Tore gab es keine.
Gleich danach wechselte ich durch Zufall in ein Profispiel. Es war ein Glücksmoment an Erkenntnis, denn der krasse Gegensatz sprang mich förmlich an. Zunächst fiel mir der enorme Abstand unter den Spielern auf. Dazwischen bewegte sich der Ball zielsicher und geradlinig wie auf einem Netz, das zwischen Spielern so gespannt schien, dass es beim Zupfen getönt hätte. Das Spiel kam mir in virtuoser Weise hochgezüchtet vor, was es ja auch ist. Die Szenerie durchwirkte für mich ohne Zweifel eine Kultiviertheit, die besonders dann klar wird, wenn man überlegt, was die Spieler sich alles antun könnten, etwa wenn sie in der Ecke zugange sind.
Die rohen Momente, die es gleichwohl gibt, bleiben nichts im Vergleich zu dem, was im Spiel durchwegs an Brutalität möglich wäre.
Aber die gleichgeschalteten Rufe der Massen auf den Rängen müssten uns Angst einjagen. Wehe, sie sind losgelassen! Tatsächlich besteht ein soziologischer Verdacht, dass man uns diese Spiele regelmässig zu kosten gibt, damit wir die Ordnung unter uns mit ihren Gesetzen und Bürokratien für unverzichtbar halten.
Gleichschaltung ist keine blindwütige Natur, sondern gemeinsames Verstehen.
Als geballte Energie hat sie schon ganze Völker verwüstet. Das lässt sich vom Fussball nicht behaupten. Diese Spiele erscheinen mir viel eher als eine gesittete Abfuhr von überschüssiger Energie, die wir tagtäglich von Natur aus hervorbringen.
Die Flächenbrände würden in dichteren Wellen durch Länder rasen. Ganze Stadtteile, Banlieus, ganze Familien kochten über, gäbe es diese Kultur nicht, wo ein Überschuss an Kraft geordnet abschöpft wird.
Auch hier: Es ist das Leben, das diese Kräfte zulässt.
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