Zwei unterhalten sich über das Oktoberfest, ein Schweizer und eine Türkin oder Albanerin. Warum er dahin gehe, fragt sie. Party, triumphiert er in einer ungelenken Flucht nach vorn, da es im Bus peinlich still ist. Sie winkt ab, er nennt sie Memme. Gegen Feiern habe sie nichts, rechtfertigt sie sich, aber sie trügen dort komische Kleider.

Zu meiner Zeit war der Landhausstil verpönt. Das hat sich drastisch geändert. Vielleicht muss man diesen Trend als ein Mittel zur Abwehr von Überfremdung verstehen. Die Methode ist simpel: Man übertreibt seine Position als Ansässige derart, dass es den Zuwanderern unmöglich wird sich anzupassen. Eine Art Verteidigung also, eine Art Widerstand. Aus dem gleichen Grund haben die ersten Raver sich Schnuller in den Mund gesteckt. Darin würden die Erwachsenen ihnen bestimmt nicht folgen.

Ein Münchner machte sich über meine Annahme lustig. Abwehr? Es sei ein Leichtes für Ausländer, sich einzubringen. Sie bräuchten nur entsprechend kostümiert auf dem Oktoberfest zu erscheinen. Ein Leichtes? Genau dieser Schritt fällt ihnen schwer. Sie müssten über ihren Schatten springen.

Hinter Abwehr steckt natürlicherweise die Angst vor dem Untergang. Im Falle der Landhäusler in ihren Dirndln und Lederhosen wird nicht unberechtigt Faschismus beanstandet. Faschismus keimt in der Verteidigung, nicht im Angriff. Doch wer befindet darüber, ob diese Angst berechtigt ist oder nicht? Ob sie mehr oder weniger geboten ist? Diese Leute tun es von sich aus und finden zu einer beachtlichen Mehrheit.

Wie kann man die Würde von Menschen in ihrer Abwehr erkennen? Gerade dann, wenn sie an prallen Brüsten hängen oder sich am ledernen Schoss reiben? Als Recht ist Menschenwürde grundsätzlich verbrieft, aber was hilft das in der Begegnung?

Richard Sennett meint, Respekt bedeute, dass ich achte, was ich beim Anderen nicht verstehe. Das verlangen wir von den Landhäuslern, wenn es um Zuwanderung geht, aber ihnen selbst verweigern wir diese Achtung. Wie aber anerkenne ich, was ich nicht verstehe?

Ganz einfach: Ich führe mir vor Augen, was der Landhäusler an meiner Person befremdlich findet.

Oder an Migranten. Von ihm erwarte ich Umsicht und Feinsinn mir selbst und Fremden gegenüber. Wie also kann ich sie ihm verweigern?