Wir dulden es nicht, wenn man ganze Rinder lebend kopfüber dreht und ihre Kehlen durchsäbelt. In Europa nehmen wir immerhin die Todesangst der Tiere in Kauf, die solange währt, bis sie zwischen Kachelwänden unter Neonlicht in Metallgestänge gerichtet sind und der Bolzen für ein schmerzfreies Sterben vorschnellt. Das sind wir gewohnt, aber es empört viele. Genauso empört uns der Unterschied zum Fremden, der für uns auffälliger ist: Ehrenmord, Beschneidung von Frauen oder eben das Schächten.
Wie könnten wir verstehen, was wir nicht verstehen? Diese Frage muss uns als Moderne beschäftigen. Damit uns dies gelingt, empfiehlt es sich, wenn wir Gemeinsamkeiten statt Unterschiede in den Blick nehmen. Denn Gemeinsames gibt es immer unter Menschen.
Der Zweck des Schächtens ist wenig bekannt. Bei Semiten ist der Verzehr von Blut untersagt. Das liegt daran, dass sich Blut in klimatischen Verhältnissen der Wüste innert Kürze zersetzt. Dank des Kehlenschnitts wird es aus dem Tierkörper gepumpt. Die Menschen schächten, damit sie gesund bleiben.
In Schlachthöfen erübrigte sich dieses Vorgehen, trotzdem wird an diesem Brauch festgehalten. Zum Einen gilt er als religiöse Vorschrift. So wird sichergestellt, dass man ihn gewissenhaft befolgt. Also wird die Gesundheit ganzer Sippschaften mit religiösen Mitteln sichergestellt. Zum Andern wird der Brauch des Schächtens bewahrt, weil sich einige semitische Kulturen in ihrem Selbstverständnis bedroht sehen. Die Gründe für ihre Sorge sind vielfältig.
Wenn ich es richtig sehe, geht es bei Menschen letztlich um Sicherheit. Und das versteht sich von selbst. Die eigentliche politische Frage lautet also nicht, wie wir uns vor dem Fremden sichern, sondern wie wir es schaffen, dass Menschen überhaupt, Fremde wie Ansässige in Versorgung und Identität sich sicher fühlen.
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