Wie heisst es schon wieder richtig? Politische Korrektheit erfordert eine besondere Sachkenntnis. Einmal mehr bekommt die Mehrheit von einer Minderheit eine bessere Welt verschrieben. Die Wortwahl bleibt keineswegs dem persönlichen Gutdünken überlassen. Dies zu beanstanden muss man kein Populist sein. Demokrat genügt. Immerhin wird in dieser Sache ein gesellschaftlicher Druck ausgeübt, der von keinem Mehrheitsentscheid beglaubigt wird.

Der Hautarzt tippt meinen Fall in die Tasten. Auch er muss massig Bürokratie ableisten, man weiss es. Vor einer Woche hatte er mir ein mutmassliches Melanom, entdeckt anlässlich einer Fussmassage, aus der Sohle gestanzt. Nun hat es sich als ein Blutsack entpuppt, der geplatzt war. Die Fäden frisch entnommen fallen mir erst jetzt meine schmutzigen Füsse auf. Des Verbandes wegen und dank der sommerlichen Schwüle war ich mit ungewaschenen Füssen durch die Gegend gehumpelt. Nun wollte ich mich bei der «Schwester» entschuldigen, die die Fäden zog. Das möge der Arzt doch bitte ihr ausrichten, sage ich, nehme aber den Ausdruck Schwester gleich wieder zurück. Wie es schon wieder richtig heisse, sinniere ich weiter. Und der Arzt hört mit halbem Ohr hin, wie ich den Ausdruck «Gehilfin» als nicht in Frage kommend ausscheide. Immerhin soll dem Willen nach politische Korrektheit Teilnehmer am Markt in ihrer Tätigkeit aufwerten. Gehilfin klingt zweitrangig. Ein blosses Anhängsel hochwichtiger Tätigkeit. Der Arzt blickt mich an, er scheint zwischen Bürokratie und meiner Angelegenheit kurz hängen zu bleiben, dies aus dem Vergnügen nach spielerischer Abwechselung in Gesprächen, wie es mir scheint. Also lasse ich mich zur Empörung hinreissen, dass die Minderwertigkeit einer «Schwester» einfach so für alle verbindlich feststehen soll. Der Ausdruck bezeichnet ursprünglich eine Frau, die an Gott glaubt, ledig ist und notfalls oder grundsätzlich sich ehrenamtlich aufopfert. Der Arzt nickt. Warum das unwürdig sein soll, erschliesse sich tatsächlich nicht allen einfach so. Und eine Abstimmung darüber habe es auch nie gegeben.

FaGe, rufe ich aus, als hätte ich die Lösung gefunden. Fachangestellte oder Fachangestellter. Der Arzt stutzt, blickt schief nach oben, schüttelt dann aber den Kopf. Nein, das seien die anderen. Welche anderen, frage ich. Die in der Pflege, bekam ich passend zu hören. Nein, ich müsse wohl die MPA meinen, die mir die Fäden zog, klärt er auf. Eine Medizinische Praxis-Angestellte.

Diese Mühe um Korrektheit belustigt uns beide. Und so merken wir, dass etwas noch nicht ganz stimmt. Auch eine Angestellte klingt in dieser Hinsicht wenig erbaulich. Denn wer von jemanden angestellt wird, lässt sich auch wieder abstellen, sprich entlassen. Diese duldsame Abhängigkeit passt unmöglich zur Selbstbestimmtheit moderner Personen. Und so geht uns die Lösung auf: Assistentin, heisst es. Der Arzt greift sich an den Kopf, denn ihm wird klar, dass er im alltäglichen Umgang diese nun korrekte Bezeichnung gar nie gebraucht. Die Freude darüber, wir hätten nun zu politischer Korrektheit gefunden, währt allerdings nur kurz. Denn meinem Arzt fällt auf, während er meine Unterlagen ausdruckt, dass der Unterschied zwischen Gehilfe und Assistent nur bei der Wortwahl ins Gewicht fällt. Es liegt an der ungebräuchlichen Fachsprache, die einen scheinbaren Mehrwert bringt. Im Übrigen, meint er, erinnere ihn das Wort Assistent verdächtig nach dem englischen Sister für Schwester. Womöglich gebe es das lateinische Verb a-sistere. Kaum gesprochen flattern seine Finger über die Tastatur und fördern zutage, dass es tatsächlich darum geht, dabei behilflich zu sein, wenn man etwas hinstellt oder aufstellt. Meine bittere Hoffnung, diese politische Aufwertung mittels Umsprachung könnte sich in den Schwanz beissen, erfüllt sich damit rascher als vermutet. Und es kommt noch dicker. Denn die hochlöbliche Bezeichnung Assistent meint weiter nichts als:

Mädchen für alles.

Womit wir in Sachen Aufwertung wieder am Anfang stehen.