Die Idee, mit dem Panoramazug die Berge zu durchgondeln, überkam mich spontan. Sie ist etwas altbacken. Zwar bekam ich zu sehen, was das Angebot versprach. Hautnah jedoch erlebte ich die New Economy mit ihrem klinischen Charme.
Der Kunde ist längst nicht mehr König. Die Firmen sind es. Indem sie Renditen erwirtschaften, halten sie den Volkskörper gesund. Oder am besten die ganze Weltgesellschaft in allen Sparten menschlichen Auskommens. Ein Ausflug mit dem Panoramazug also. Bei der Platzreservation im Netz spuckte es immer wieder den doppelten Ticketpreis aus. Die Leichtigkeit des wirtschaftlich denkenden Kunden, von dem die New Economy in all ihren Berechnungen ausgeht, blieb mir versagt. Erst am Schalter wurde Abhilfe geschaffen. Sogar ein Anruf war nötig, man konnte sich dies und das leider nicht erklären.
In Erinnerung an eine Panoramafahrt vor Jahren erwartete ich naiverweise einen vorzüglichen Service, mit Menükarte, mit schwerem Tischtuch in Weiss, mit Kragen an Weinflaschen beim Einschenken. Eine gewisse volkstümliche Note wäre für mich abzusehen gewesen, sie wurde auf meiner Fahrt durch eine Gruppe deutscher Rentner mit bezahlter Führung gewährleistet, die sich stimmungsbewusst den ganzen Weg über für ihre Anvertrauten ins Zeug legte. Die Zuordnung der Hörkanäle, auf welchem die deutsche Sprache zu finden war, welcher Kanal Volksmusik spielen liess, wurde mehrfach lautstark und hilfseifrig untereinander geteilt, besonders mit denjenigen, die die Sache mit Kopfhörer und Kanalwahl nicht mitbekamen oder die Zuordnung immer wieder vergassen.
Auch hätte ich eigentlich wissen sollen, dass man bordeigene Küchen längst durch Caterings ersetzt hat. Als ausgelagerte Unternehmen leisteten sie das Ihre einer vertraglichen Zusammenarbeit im Eigenerwerb ab. Das Essen war zu Snacks geschrumpft, der Rendite und der rationalen Abläufe wegen, wobei das Stück Alpkuchen noch vollständig eingeschweisst zum Verzehr bereit lag. Wie man richtig voraussieht, liess sich die nahrhafte Süssspeise nur mühselig aus der Folie befreien. Ein weiterer Beleg für die gegenwärtige Firmenfreundlichkeit. Der eigentliche Picknick, ebenfalls gut vertütet, bestand aus einer bereits zugeschnittenen Landwurst und flachen Käseschnitten, die mitsamt des Kuchens auf hiesige Bräuche verwiesen, während ein kurioses Karottengemüse, das zu feinsten Scheiben geraspelt in einem Becher süss sauer eingelegt war, wohl die Geschmäcker von Touristen fernöstlicher Abkunft zufriedenstellen sollte. Auch das Plastikbesteck fehlte nicht sowie ein kleiner Rotwein mit Drehverschluss und einem zusammensteckbaren Trinkglas, das ebenfalls aus Kunststoff bestand. Alles verschweisst und vertütet. So verwandelte sich das Essen allmählich unter meiner Hand zu Abfall.
Der Ablauf der Bedienung verlief streng durchgetaktet, an Musse, für die sich ein Panoramazug besonders eignet, war nicht zu denken. Der Grund dafür: Auf einer ersten Passhöhe verliess das Catering den Zug, also drängten sie baldmöglichst auf Zahlung. Rasch zogen sie die Menükarten wieder ein, immerhin firmeneigenes Material. Die Fahrt setzte sich fort, aber es gab nichts mehr zu naschen, wir sassen an leeren, blank gewischten Tischen.
Keine Frage, dass die Angestellten des Caterings arabischen oder srilankischen Typs waren, die gewisse Bestellungen sprachlich nicht auf Anhieb meisterten, während die Zugbegleiter sich mit einheimischer Zunge in einer Art um die Gäste kümmerten, die mir besonders lästig fiel, da ich den Eindruck nicht los wurde, mit ihrem Bemühen hakten sie bloss Anweisungen des Marketings ab. Bei aller peinlichen Gesprächigkeit sorgte einer der Begleiter immerhin für bürokratische Genauigkeit, indem er die Reisegruppe ernst anwies, auf ihrem Reiseticket die Zahl in der mittleren Spalte unterste Position zu streichen und durch eine andere zu ersetzen. Diese Prozedur erforderte ihre Zeit und ihre Umständlichkeit, zumal einige der Gruppenteilnehmer akute Überforderung anmeldeten. In dieser Zeit war für mich weder an Genuss, noch an Ruhe zum Lesen oder Schreiben zu denken. Erst später fiel mir auf, dass eine Person, die liest oder schreibt oder in ihr Handy vertieft ist, in einem Panoramazug besonders auffällt, da doch alle mit Kameras an Fenstern kleben.
Somit schickte ich mich in die Kontemplation der vorbeiziehenden Täler und Berge, Gebirgseen, Geröllfelder und Schneeflächen. Die Fenster, die eigens in die Decken eingelassen waren und so das Panorama nach oben erweiterten, verhalfen mir zu keinem besonderen Entzücken.
So suchte mich sehr bald die Einsicht heim, dass sich mein Fahrgefühl in diesem Panoramazug von einem normalen Kurs durch die Berge kaum unterschied.
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