Eine junge Schwedin fasst Tritt in der Pornoszene Hollywoods. Die überreizte Szenerie verspricht Leckerbissen für Aug und Ohr. Immerhin spielen echte Darsteller mit. So gesehen kommt man leidlich bis massvoll auf seine Kosten. Zum Glück. Stattdessen schwenkt der Film unerwartet auf einen Tiefgang, der uns mitten in das Leben zieht, wie es sich überall abspielt. Von Anbeginn an hat die junge Frau die gehobene Klasse dieser Branche im Auge. Allerdings muss sie Federn lassen, um dahinein zu gelangen. Zu den einschlägigen Disziplinen gehört es unter anderem, dass sie sich vor der Kamera misshandeln und vergewaltigen lässt.

Nach einem souveränen Start schafft sie es nicht, diese Übergriffigkeit intim so von sich auf Abstand zu halten, wie es ihr bisher gelungen war. Zwar ist alles vertraglich geregelt, das gegenseitige Einvernehmen ist gewährleistet, auch hat man das Codewort vereinbart, und die Jungs lassen sofort von ihr ab, wenn sie es einsetzt, kümmern sich sogar fürsorglich um sie. Beim wiederholten Male jedoch schwindet alle Nettigkeit. Die Produktion drängt auf Abschluss der Aufnahmen. Dieser Rückschlag trifft sie herb. Tränen fliessen, Selbstzweifel nehmen Überhand. Die junge Frau wünscht nach Hause zu kehren, das Telefonat mit ihrer Mutter, die im Glauben gehalten wird, die Tochter durchlaufe in den Staaten ein Ausbildungsjahr, fällt jedoch genauso herzlos aus wie die Pornoindustrie selbst. Aber sie rappelt sich auf, peilt erneut im Geschäft die gehobene Klasse an, sie schafft es sogar nach abermaliger Erweiterung ihres Könnens und findet sich mit dem Supermodel der Szene für eine lesbische Kür vor der Kamera wieder. Zurecht wittert dieses Model eine Konkurrenz, die von unten drückt, sie möchte sie mattsetzen oder ihr vorweg Probleme bereiten, indem sie vorgibt, ihre neue Partnerin leide an Scheidenpilz, an ein Drehen sei so nicht zu denken. Die Schwedin lässt die Hygienemassnahmen über sich ergehen, die Klappe fällt, und sie steigt unerwartet dominant in die Szene ein und lässt so dem Model die gesamte Palette an Misshandlungen angedeihen, die sie selbst Wochen zuvor erlitten hat. Die Regie erhebt keine Einwände, sie scheint eher angetan von dieser überraschenden Wende.

Die Psychologie kennt einen Namen für diesen Vorgang, nämlich Reinszenierung mit vertauschten Rollen zur Emanzipation seiner selbst.

Genau diese feine Wahrnahme macht den Film aus meiner Sicht tiefgründig. Die schrille Thematik bietet bloss einen Rahmen dazu. Personen kommen zu sich, indem sie erlittenes Unrecht an anderen verüben. Dabei geht es keineswegs bloss um Missbrauch. Dieser Prozess ereignet sich ebenso in Bereichen menschlichen Zusammenlebnens, die im Vergleich für harmlos gelten. Diese Häufigkeit scheint seine natürliche Schlüssigkeit zu haben: Ein Opfer findet zu sich, indem es zum Täter wird. Die zerschlagene Mitte schliesst sich, indem das Opfer sein Trauma durch Täterschaft überausgleicht. Die Heilung führt eben nicht einfach zur Mitte zurück, von wo sie gleichsam verdrängt wurde, sondern geht darüber hinaus. Nur so greift die neu gewonnene Harmonie mit sich selbst erst richtig, nur so hält sie eher Bestand.

Ein natürlicher Vorgang, den wir nicht ohne Grund ungesund finden. Dabei lässt er sich in Natur und Kultur zuhauf beobachten.