Das Mädchen deutet an den Nachthimmel, und es möchte wissen, ob es Blinksterne gebe.

Friedhof Herz Jesu. Am Fuss des Schienerbergs, mit der beleuchteten Burg hoch über uns. Noch heute fühlt man sich davon beschützt. Dabei ist es nur ein Steinhaufen, mit Gastrobetrieb vom Feinsten. Die Familie mit dem Mädchen schlendert gerade nach Hause, während ich auf dem Friedhof ein paar Schritte tue, wie es eben vorkommt, wenn man benachbart lebt. Das Tor steht immer offen. Es pfeift in hohen Lagen, wenn es bewegt wird. Die Ebene mit den Gräbern kommt mir vor wie eine Plattform, die gedanklich zum Start in Höhen anregt, in denen die Burg wie ein Raumschiff in nächtlicher Tiefe ruhend hängt.

Die Frage des Mädchens bringt mich zum Schmunzeln. Ohne dass ich mich zur Familie umwende, halte ich nach dem Blinkstern Ausschau, sprich nach dem Flugzeug, das da oben irgendwo seine Bahn zieht. Erst finde ich keines, dann aber taucht es hinter einer Linde hervor.

Von Westen her.

In diesem Moment kommt mir in den Sinn, dass auf diesem Friedhof Familien ruhen, die im Zweiten Weltkrieg bei der irrtümlichen Bombardierung des Ortes ums Leben kamen. Darunter fünf Kinder. Nur das Geburtsjahr steht in die Grabplatten gemeisselt. Der Zeitpunkt des Sterbens lässt sich ja in Geschichtsbüchern nachlesen. Elisabeth und Klara ruhen hier, unter anderen. Beide Jahrgang 1931. Der sechsjährige Werner. Auch Margrit, die den gleichen Jahrgang hat wie meine Mutter. Letztes Jahr feierte sie ihren achtzigsten Geburtstag. Brav wie alle hatten sie wohl ihre Fenster verdunkelt, wie es Vorschrift war. Andernfalls wären die Bomber ins Zweifeln geraten, ob die Lichter wirklich zu Deutschland gehören, auch wenn sie sich nördlich des Rheins befanden. Oder geschah das Missgeschick bei Tage?

Auch damals kam ein Flugzeug. Ein amerikanisches, allerdings mit tödlicher Last. Ein Dutzend Vierteltonnen Sprengmaterial.

Ebenso aus West. Und gewiss ohne Blinklicht.