Für Ramona
Generationen gewähren einander selten Einblick in ihre ungeschminkte Eigenart. Offenbar ist der Unterschied wichtiger als die Gemeinsamkeit. Da muss man schon in eine Geburtstagsfeier geraten, wo man an Vermischung Freude hat.
Am Geburtstagstisch versammelten sich zufällig die Jahrgänge 69, 81, 91 und mehrfach 97. Frauen wie Männer. In der Mitte lag ein Stapel Karten. Ein Gesellschaftsspiel, das hier Tradition genoss. Auf einer Karte hiess es zum Beispiel: «Noch nie habe ich mit der Freundin oder dem Freund einer mir nahestehenden Person geflirtet.» Für wen diese Aussage zutraf, der war diesmal vom Trinken entbunden. Die anderen hatten einen Schluck zu nehmen, Alkohol versteht sich. Wer beim Wasser blieb, mischte ebenso mit. Wie zu erwarten, gestalteten sich die Themen immer schlüpfriger. Rauschgewohnheiten kamen ebenso auf den Tisch, wie Sexuelles oder sonst wie Tabuisiertes.
Sehr rasch wurde klar, dass erst blanke Ehrlichkeit den Reiz dieses Spieles garantierte. Niemand schien in diesem Anspruch zurückstehen zu wollen. Nur wenige Teilnehmer kannten sich bereits. Das Spiel sorgte auch unter Fremden für eine jähe Vertrautheit, bei der man sich fragt, warum wir sie ansonst einander verweigern.
Denn das ganze Leben scheint einfacher und leichter erträglich, wenn man Einblick in fremd Intimes erhält und so die Gewissheit bestätigt bekommt, dass es wohl mehr Gemeinsames unter Menschen gibt als Unterschiede. Besonders bei Karten, wo alle entschieden und freigebig in ihrer Ehrlichkeit zum Trinkglas griffen.
So entschieden wie etwa bei dem Thema: «Noch nie habe ich während dem Duschen gepinkelt.»
Da herrschte generationenübergreifende Einigkeit. Spontan, rasch und erfrischend.
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