Primaten sollen Menschenrechte zugesprochen bekommen. Damit bringen wir sie mit uns auf Augenhöhe. Eine wünschenswerte Neuerung zwar, aber sie verdeckt massive kulturelle Probleme, die uns betreffen, nicht die Tiere.

Eine ältere Dame äusserte Ekel bei dem Gedanken, ein Orang-Utan könnte ihr rechtlich gleichgestellt sein. Das war keiner Bösartigkeit geschuldet, sie konnte sich das einfach nicht vorstellen. Und die politische Debatte, die derzeit geführt wird, verweigert ihr die Zeit, die sie benötigte, um sich in die Thematik einzufinden. Das wird mir auch einmal so ergehen. Wir alle kennen Grenzfälle, die für uns nicht verhandelbar sind. Mit dem Alter igeln wir uns darin ein, denn die Gesellschaft verschiebt laufend die Grenze von dem, was für zumutbar gilt.

Vergleiche zwischen Mensch und Tier sind heikel. Gerne würde ich sie nutzen, wenn es um Einsichten über Kinder oder über Beeinträchtigte geht. Das bereitet in privatem Umgang niemandem Schwierigkeiten, soweit sich das abschätzen lässt, bei zunehmender Öffentlichkeit hingegen schon. Ein Schüler, der sich leicht ablenken lässt, verglich ich mit einem Kälbchen, das andauernd zur Tränke drängt. Das mag man bedenklich finden, sicherlich aus guten Gründen, aber es verändert die Art, wie ich als Lehrkraft eingreife. Der Vergleich beeinflusst mich, nicht das Kind. Die Art, wie ich den Bub anleite, vergleiche ich wiederum mit der Methode einer Sennin im Alpstein, die auf engem Pfad hinter einem Rind herging und es unentwegt ganz zart mit Zeigefinger und Daumen am gespannten Hinterschenkel kniff, damit das Tier die Höhe meisterte und so der Herde nachkam.

Der Vergleich des Affen mit dem Menschen wurde immer als Abwertung unserer Art empfunden. Das ist nicht zwingend. Man kann denselben Vergleich anders deuten. Nämlich so, dass umgekehrt der Affe aufgewertet wird. Diese Tiere sind uns in Vielem ähnlich. Auch ein Todesbewusstsein wird ihnen neuerdings bescheinigt. Eine wichtige Voraussetzung zur möglichen Kandidatur für Menschenrechte. Ein Schimpanse, der Zeichensprache beherrscht, soll beim Thema Tod einen Abschiedsgruss mit Kusshand angezeigt haben. Auf die Frage, wohin ein totes Tiere ginge, meinte er, in ein bequemes Loch.

Ein Problem, das verdeckt bleibt, wenn wir Tiere mit uns auf Augenhöhe bringen, liegt schlicht und ergreifend darin, dass wir sie nicht mehr essen können.

Bei rechtlicher Gleichstellung wäre die Schlachtung Mord und die Verspeisung Kannibalismus. Da mögen Veganer triumphieren. Zu früh, wie ich meine. Auch wäre ausgeschlossen, die Tiere zugunsten unserer Gesundheit noch zu quälen. Jedenfalls könnte man einwenden, die rechtliche Gleichstellung von Primaten mit der menschlichen Art bedeute im Grunde weiter nichts, als dass diese menschliche Überheblichkeit, die seit je beklagt wird, einfach nur auf Primaten erweitert wird. Das restliche Leben bliebe dieser Hybris nach wie vor als minderwertig untergeordnet, wie ebenfalls seit je. Dieser Einwand befolgt, nebenbei bemerkt, das Vorgehen der subversiven Argumentation, die das Anliegen des Gegners übertreibt, damit sein Unsinn klarer hervortritt. Diese Übertreibung lautet hier also: Menschenrechte für alles Leben. Wie wäre das? Wenn man die Annahme teilt, dass Leben die immer gleiche Intelligenz mit je anderen Möglichkeiten sowie unter je anderen Umständen verkörpert, dann sind auch Veganer Menschen, die intelligentes Leben zerstückeln und verschlingen. Dadurch wird klar, dass sich die rechtliche Gleichstellung keinesfalls auf andere Arten übertragen lässt, geschweige denn auf das Leben überhaupt.

Denn dann würden wir alle verhungern.

Wir sind darauf angewiesen, dass anderes Leben für abgewertet gilt, damit wir es essen können. Andernfalls sollten wir zu einer Kultur zurückkehren, die Leben nicht einfach schlachtet und ausweidet, sondern nach rituellen Vorgaben opfert. Denn in der Opferung hat man das besondere Stück Leben gewürdigt, da es in seiner Tötung bis zum Äussersten versachlicht wurde und damit die grösstmögliche Erniedrigung erlitt.

Immerhin gibt es heute noch Bauern, die mit ihrem Tier reden und es bei seinem Namen ansprechen, bevor sie es keulen.

In solchen Dingen zeigt man sich eben nicht nur um das Tierwohl besorgt, sondern genauso darum, was es mit uns Menschen anstellt, wenn wir anderes Leben hinrichten.