Die Krise wird nachhallen. In vielerlei Hinsicht. Sofern sie denn tatsächlich ausgestanden ist. Zum Beispiel beschäftigt es mich weiterhin, wie man mit Personen umgeht, die abweichende Meinungen vertreten. Auch wenn ich ihre Ansichten unter Umständen ablehne, halte ich sie deshalb nicht für krank oder spinnig im Kopf. Diese Abwehr verrät mehr von der intimen Ökonomie der Person, die so urteilt, als von den Menschen, die sie sich damit vom Leibe hält.

Wir sollten uns von dem Anspruch lossagen, wir könnten irgendeine Wahrheit in den Griff bekommen, wenn es um planetarische Zusammenhänge wie die Corona-Krise geht. Überprüfbare Meinungen und somit Wahrheiten gibt es nur bei Sachverhalten, die uns vor der Nase baumeln. Wie zu Zeiten Descartes. Eigentlich wie schon immer. Wer daran festhält, sollte darlegen, wie er Zusammenhänge dieser Komplexität einer Prüfung unterzieht. Wohlgemerkt von zu Hause aus. Nur schon einfachere Sachverhalte beanspruchen wir zu wissen, obgleich wir in keiner Weise den Beweis dazu erbringen könnten, wie etwa die Tatsache, dass die Leber das Blut reinigt. Die Herausforderung besteht darin, abweichende Meinungen als das zu sehen, was sie sind.

Nämlich als Bemühung, in dieser Grössenordnung Klarheit zu erlangen.

Die Dokumentation «Out of shadows» zeigt ungewollt, wie abweichende Ansichten entstehen. In diesem Fall lässt sich mitverfolgen, wie ein Stuntman zum Schluss kommt, Hollywood sei von Satanismus und Pädophilie durchsetzt. Diese Thematik fand eine Neuauflage im Gewimmel der Verschwörungstheorien punkto Corona. Mich interessiert nicht, ob dies wahr ist oder nicht. Wo Reichtum gescheffelt wird, wo Einfluss auf Knopfdruck gelingt, da verändern sich die Menschen, da kommen sie auf die sonderbarsten Ideen. Auch wenn sie ihre Begierde jederzeit zu befriedigen in der Lage sind, oder gerade deshalb, flackert sie immer neu auf. So will es die Natur in uns. Die Überschreitung zum Neuen, die jähe Begeisterung, die uns voll erfasst, sucht sich ständig neue Möglichkeiten, da die Wiederholung früher oder später in Langeweile mündet. Irgendwann wird das Gehirn als reizbare Zone entdeckt. Von da an gibt es kein Halten mehr. Am Schluss kommen wir auf die Idee, Moloch zu huldigen oder dem Satan. Oder man bekommt Lust auf Minderjährige. Davon wimmelt es in Hollywood, angefixt von der Hoffnung auf Ruhm, geschoben oder abgeschoben von Eltern, deren gescheitertes Leben sie aufbessern sollen. Und sie alle werfen sich in blanke Abhängigkeit. Das führt zu Missbrauch, wie überall, wo es Abhängigkeit gibt: In Familien, in der Kirche, in Heimen, in Reformschulen. Das entschuldigt nichts, macht Vieles nur verständlich, erklärt es, macht es klar. Warum nicht diesem Tabubruch nachgeben, da doch alles andere schal geworden ist? Ein Dilemma erster Güte. Auch in dieser elitären Drangsal finden sich Partner, die das gleiche Leiden auf allerhöchstem Niveau ausstehen. Mit ihnen lässt sich Neues organisieren und nötigenfalls tarnen. David Lynch hätte dies alles thematisiert mit der Serie «Mullholland Drive», die Strasse im Dunkeln als Gegenstück zum Sunset Boulevard, aber er fand keine Geldgeber dafür. Das alles kann ich mir sehr wohl vorstellen. Aber ich weiss es nicht.

Und Wissen bedeutet, dass mehrere hirngesunde Personen bestätigen, was ich mir vorstelle, indem sie mit mir zusammen auf eine Situation deuten, die genau so abläuft, wie wir es sagen. Das ist in dieser Grössenordnung unmöglich. Also ist auch das Wissen unmöglich. Und das wäre ein weiterer Hinweis darauf, dass wir aufhören sollten, in dieser Grössenordnung Wahrheiten zu behaupten. Das gilt gleichermassen für Personen, die öffentliche Anweisungen zu Corona oder zu anderen globalen Themen ernst nehmen. Auch sie haben Gründe für diese Hörigkeit.

Der Stuntman also erleidet eine Verletzung im unteren Rücken, die ihm beinahe den Job kostet. Nach vergeblichen Therapien gesundet er dank einer Beckenbodentherapeutin und Geistheilerin. Diese macht nebenbei die Bemerkung, die Elite in Hollywood, für die der Stuntman arbeitet, seien alles Satanisten [9:23], deren Opfer, meistens Kinder, sie später behandle und wieder aufrichte. An diesem Punkt beginnt die Abweichung, oder das Erwachen, wie man es nimmt. Es ist nicht einfach eine Information, die unsere Sichtweise abrupt verändert.

Sondern der Umstand, in diesem Fall zumindest, dass wir schlicht ausserstande sind, einen Menschen, der uns unfassbar Gutes getan hat, der Lüge oder des Irrsinns zu bezichtigen.

Der Stuntman fühlt sich aufgefordert, der Sache auf den Grund zu gehen. So habe er angefangen, nach der Wahrheit zu suchen und sei auf Accounts gestossen, die selber auf der Suche waren [11:40]. Gleichgesinnte abzuweisen, ihre Ansichten zu korrigieren, fällt uns immens schwer. Material wird gesichtet und in der gleichen Weise gedeutet. Ein unmittelbarer Beweis fehlt immer, hingegen kommen zahlreiche Hinweise zusammen. Die Wahrheit gelangt allerdings über die gemeinsame Deutung nicht hinaus. Also ist es keine Wahrheit, denn die ursprüngliche Situation, auf die man deuten könnte, fehlt durchwegs. Also das dritte Element, das neben Gutachten und Gegengutachten zur Wahrheitsfindung als richtiges Wissen, wie Platon es nennt, notwendig ist.

Ein Thema, auf das sie zunächst stossen, ist der Einfluss des CIA auf Hollywood. Dabei äusserst sich ein ehemaliger Agent namens Kevin Shipp als Whistleblower ausgiebig vor laufender Kamera. Es stehe ausser Frage, dass das Projekt Monkingbird, sprich die Manipulation der Medien durch den CIA, real sei [18:21]. Auch die Operation Paperclip wird angesprochen. Sie bedeutet die Überführung von nationalsozialistischem Sachwissen und Manpower in die Dienste der Vereinigten Staaten. Werner von Braun und die NASA sind die bekannteste Paarung dieser Operation. Im Übrigen ein öffentlich bekannter Gemeinplatz, der historisch aufgearbeitet ist. Shipp betont bezüglich Monkingbird, die Dokumente dazu habe er gesehen [25:01], aber er weist keines vor. Aber selbst wenn er sie in die Kamera hielte, wären wir ausserstande, diese Unterlagen auf ihre Echtheit hin zu prüfen. Überhaupt könnte er ebenso gut verkünden, dass Jesus lebt, denn er habe ihn gesehen. Ob die Operation Monkingbird wirklich eingestellt wurde, dafür gebe es weder Beweise, noch Dokumente, meint Shipp weiter [30:30]. Beweis und Dokument sind also zweierlei Dinge. Als ehemaliger Polizeibeamter bestätigt er ferner Fälle von Satanismus in High-Scools, Colleges, in der Regierung und in Hollywood [38:51].

Einfach so. Aus dem Sessel heraus.

Wie bei allen Whistleblowern liesse sich argumentieren, der Typ habe mit seinem ehemaligen Arbeitgeber einfach eine Rechnung offen. Nun fühlt er sich derart schlecht behandelt, dass ihm alle Mittel gegen diese Einrichtung erlaubt scheinen. Das wäre zunächst meine Position. Der Stuntman hingegen glaubt ihm, da er vom Prozess seines Erwachens erzählt. Nun könnte ich mich in meinem Argwohn sonnen und dem Stuntman Leichtgläubigkeit vorwerfen. Tatsächlich verhält es sich bei meinem Argument von der offenen Rechnung genau gleich: Ich glaube, dass hier zutrifft, was es besagt.

Aber ich weiss es nicht.

Ob ich eine verkündete Wahrheit als Tatsache vertrete, folglich sie für bare Münze nehme, oder ihr gegenüber skeptisch bleibe, erfolgt nicht aus mangelnder Intelligenz, wie es immer entnervt heisst, sondern aus einer Entscheidung, die intim bleibt, da sie mit unserem bisherigen Leben zusammenhängen muss. Denn die Situation der blossen Verkündung vor laufender Kamera holt weder Gegengutachten ein, noch bietet sie die Ereignisse zur Überprüfung dar, von denen die Rede ist.

Auch Wikileaks, das zur Sprache kommt [14:07], geniesst einen Vorschuss an Vertrauen bei denjenigen, die die Vereinigten Staaten aus bestimmten Gründen vorweg schon immer kritisiert haben. Damit ist der Grundstein gelegt, für den Stuntman geht die Suche weiter. Nun werden zufällige Dinge auf einmal beweiskräftig. Zum Beispiel soll die Bedeutung des Eigennamens von Hollywood als Stechpalmen-Zauber die heimliche Einflussnahme des Staates mittels CIA irgendwie belegen. Wie genau bleibt unbesprochen. Auch kommt der Umstand, dass der Ausdruck Television eigentlich als «Tell a Vision» verstanden werden kann [12:03], auf einmal als Beleg für diese gigantische Manipulation daher. Das gilt ebenso für die Bezeichnungen «Canals» und «Programs». Solche Assoziationen sind bei alternativen Theorien dieser Grössenordnung üblich. Als hätte der Gegner ein Interesse daran, seine Heimlichkeiten anzudeuten. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Auch dieser Einwand wird mit dem Argument pariert, diese Elite pflege eben eine selbstgewisse Nachlässigkeit.

Der Stuntman betont mehrfach, er vertraue darauf, was sein Bauchgefühl sagt. So hat er sich auch grundsätzlich für eine Seite entschieden, so meine Behauptung. Auch urteilt er im Rückblick auf seine Entdeckungen, dies oder das hätte durchaus Sinn gemacht. Beides nehmen wir alle in Anspruch: Bauchgefühl und Sinnhaftigkeit.

So läuft menschliches Leben ab.

Beides jedoch taugt wenig zur Wahrheitsfindung in dieser Grössenordnung. Weder das eine noch das andere liefert irgendeinen Beleg. Die Puzzleteile, die die Theorie bestätigen, für die ich mich insgeheim entschieden habe, fallen sofort ins Auge und machen Sinn. Andere Puzzleteile bleiben im Nebel, obschon auch sie womöglich zur Wahrheit beitragen. Das wäre gängige Kognitionspsychologie, aber wir missachten sie im richtigen Moment.

Zuletzt kommen die Journalistin Liz Croquin und die Pizzagate-Geschichte zur Sprache [ab 53:10], bei der es um Pädophile unter Demokraten und sonstigen Elitären geht und wie sie sich über eine besondere Codierung verständigen. In der Tat stiftet die Formulierung aus einer Email, man bestelle «eine Pizza für eine Stunde» Kopfzerbrechen, wenn man ablehnt, dass hier mit «Pizza» ein kleines Mädchen bestellt wird. Diese Emails stammen aus den Beständen von Wikileaks. Daher steht ihre Glaubwürdigkeit für den Stuntman ausser Frage. Dabei glaubt er dies genauso blind, wie wir, die wir den Stimmen folgen, diese Journalistin arbeite ungenau. Dieser Punkt kommt deutlich zur Sprache. Liz Croqiun genoss einen tadellosen Ruf, niemand stellte ihre Arbeit in Frage, die Mainstreampresse lobte sie über Jahre, bis sie über Pizzagate berichtete. Nun galt sie über Nacht als verrückt. Das stimmt schon argwöhnisch. Ein gleicher Sachverhalt fällt im Bereich Krebsforschung ins Auge. Der Südkoreaner Kanematsu Sugiura testete in den Siebziger Jahren Laetril, also Vitamin B17, das sich vor allem in Aprikosenkernen findet, als Mittel gegen Krebs. Bis dahin genoss Suguira höchstes Ansehen als Krebsspezialist. Alle seine 200 Studien ab 1962 ernteten ausnahmslos Applaus. Nun kam er zum Schluss, Laetril sei nicht unwirksam gegen Krebs [p 48-50]. Und auf einmal wurde seine Autorität in Frage gestellt. Die Auftraggeber, ein Krebszentrum in Manhatten, schwächten das Resultat zunächst ab, bis sie es Jahre später gänzlich ablehnten. Bei genauerer Nachfrage klärt sich, dass der Vorstand dieses Zentrums vorwiegend aus Vertretern der Pharmaindustrie bestand. Und mit Aprikosenkernen lässt sich nun mal kein Geld machen. Das offizielle Argument gegen Laetril nahm die Tatsache ins Auge, dass dieses Vitamin bei leichter Überdosis Blausäure freisetzt.

Auch hier greift erneut der intime Grundsatzentscheid, von dem ich ausgegangen bin: Wer Gründe hat, Machenschaften anzunehmen, erkennt in dieser Brüskierung einer hochgelobten Fachkraft den klaren Hinweis auf eine Verschwörung, während andere die Sorge ernstnehmen, die in Laetril eine Gefahr für Patienten sehen. Und dafür haben auch sie ganz bestimmte Gründe, die auf ihr bisheriges Leben verweisen.

Alles in allem geht es mir darum, zu zeigen, dass auch Personen, die abweichende Meinungen vertreten, nach dem Richtmass des gesunden Menschenverstandes vorgehen. Allerdings missfällt mir dieser Ausdruck. Zum Einen wird er dauernd brüskiert, besonders durch die Naturwissenschaft, zum Andern legt er die Möglichkeit eines krankhaften Verstandes nahe. Und daran glaube ich nur bedingt. Unter einer Politik der Klarheit verstehe ich die Anerkennung abweichender Meinungen als Mühe und Versuch, zu Klarheit zu kommen. Das gilt ebenso für Menschen, die auf religiösem Wege zu Klarheit finden. Auch psychisch kranke Personen geniessen diese Anerkennung, zumal manche Psychiater ihr Nichtwissen betonen, was diese Fälle betrifft, und die Bedeutung der Selbstheilung der Patienten hervorheben. Auch ist die Ansicht gängig, wenn auch weniger öffentlich, dass ein Fachbegriff, wie etwa Multiple Persönlichkeit, letztlich einen Abgrund an Nichtwissen verschliesst. Das spricht keineswegs gegen ihn, schliesslich ist mit besonderem Verhalten irgendein Umgang zu finden. Es spricht dafür, dass es dabei nicht um Wahrheit geht. Kulturen schaffen sich Klarheit auf unterschiedlichem Weg, Kunstschaffende, Journalisten. Sie alle geniessen diese Anerkennung, ihre Zustimmung vorausgesetzt, dass Wahrheit im alltäglichen Rahmen durch persönliche Überprüfung im Sinne Descartes längst verabschiedet ist. Ohne diese Zustimmung ist eine Politik der Klarheit nicht möglich. Der Ausdruck Politik sorgt für eine praktische Orientierung, die ich hier für dringend halte. Dies im Gegensatz etwa zu einer Ethik der Klarheit, bei der es um theoretische Erkenntnisse ginge.

Im Interesse einer Politik der Klarheit steht die einzelne Person, und sei es auch ein Stuntman, die sich kraft ihrer intimen Ökonomie um Klarheit bemüht.

Dazu nutzt sie die Mittel, die ihr gegeben sind.