Das Gutmenschentum missversteht Rassismus als bornierte Aggression. In seinem Kern steckt jedoch Todesangst. Das ist ernst zu nehmen. Wenn wir diese Angst als Populismus verachten und sie kriminalisieren wo immer möglich, dann wird diese Todesangst aggressiv. Dann heisst sie Faschismus.
Ein Gutmensch bin ich, besser als andere. Das fällt auch leicht, denn bislang bin ich vor einschlägigen Erfahrungen mit Fremden verschont geblieben. Eher durch Zufall, als durch meine Haltung. Denn meine Haltung verdankt sich eben dieser Schonung. Einmal bevölkerten Algerier unsere Wohnung. Als Asylanten war ihnen verboten zu arbeiten, also hängten sie bei uns ab. In einer Wohngemeinschaft, die für alles Mögliche offen war und daher nicht ganz dicht. Das galt buchstäblich, denn auch wenn wir tagsüber ganze Zigrettenpäckchen verbafften, bestand nie die Dringlichkeit zu lüften, so alt war das Haus. Aber was heisst schon tagsüber! Die Algerier kochten, wir kauften ein. Zunächst wirkte ein natürlicher Vorbehalt. Immerhin rochen diese Menschen anders, besonders wenn sie schwitzten. Nach zwei, drei Tagen fühlte sich der Umgang mit ihnen jedoch genau gleich an wie mit Deutschen oder anderen Schweizern. Der gleiche Humor, die gleiche Spielfreude, wenn sie zum Beispiel unsere Namen auf Arabisch schrieben, die gleichen Sorgen, zumindest ihrem Grundsatz nach, die gleichen persönlichen Unterschiede, die sich erst mit der Zeit abzeichnen, die gleiche Neugier auf diese Welt, die wir zeitgleich bewohnen.
Was Erfahrung mit Fremden anbetrifft, so spielt der Zufall verschiedene Spiele, wie sich leicht denken lässt: Andere sehen sich von bestimmten Gutmenschen in ein Harz-4-Programm genötigt, während sie gleichzeitig Menschen jeder Rasse mit Willkommensgeschenken überhäufen. Deutschland schaffe sich ab, so lautet eine Parole, die manche Bürger zu einer Partei vereinigt, andere jedoch kalt lässt oder zum Lachen bringt. Oder sie fühlen sich ihrerseits davon bedroht. Dann heisst es sehr rasch: «Nazis raus!» Über diesen Spruch grüble ich schon seit Jahren. Ganz einfach aus dem Grund, dass das Anliegen, aus dem dieser Spruch hervorgeht, durch und durch faschistisch ist: Raus mit dir! Fort mit Dir! Mund zu! Man wünscht die Welt von Elementen bereinigt, die einem zusetzen, aus welchen Gründen auch immer.
Dabei wird übersehen, dass eben diese Welt auch die Elemente hervorgebracht hat, die man schwierig findet oder gefährlich.
Wer so gegen Nazis antritt, indem er diese Parole schreit, schmiert oder bloss denkt, der kommt sich aber als Gutmensch vor, der sich dazu sogar verpflichtet sieht, da die Lage doch dringend ist. Wer aber entscheidet bei solchen Themen, wann etwas dringend ist und wann nicht? Die Verletzten unter uns und die Empfindsamen, die es eben zuhauf gibt, drücken früher den Alarm als Leute wie mich, die sich schamlos überall jederzeit entspannen. In diesem Moment jedenfalls, wenn jemand sich zur Parole «Nazis raus» aus Pflicht bekennt und die Mittel dazu offenlässt, denn das muss er bei dieser drastischen Forderung, weshalb er, ohne dass er es in Worte fasste, für möglich erklärt, die Schädlinge notfalls aufzuhängen oder an die Wand zu stellen, schliesslich zeigt die Uhr fünf vor zwölf, diese pflichtbewusste Person darf sich glücklich schätzen, denn sie hat soeben ihren liebsten Feind, den Nazi oder Neonazi von innen her zu verstehen bekommen.
Nämlich an sich selbst.
Aus tiefster, gemeinsamer Intimität. Denn beide vereint eine Todesangst, die irgendwann zu Aggression bereit ist.
Man verzeihe mir folgende Plattitüde: Der empfindsame Intellektuelle der Linken möchte genauso wenig in einem Lager enden, wie der rechtslastige Populist in einer Isolationszelle, wo er nur behandschuhten Wärtern begegnet, die sich wie Pfleger aufführen. Solange die Einsicht von der gemeinsamen Todesangst ungehört verhallt, wird man sich mit Rassismus und dem dazu nötigen Faschismus abzufinden haben. Die Neurobiologie bestätigt, dass der beste Gutmensch neuronal zusammenzuckt, wenn er Menschen anderer Rasse begegnet. Mit Verstand hat das gar nichts zu tun. Also braucht man auch keine Argumente gegeneinander auszuspielen.
Am besten wäre es, wenn wir uns vorsätzlich vermischten. Ebenso wie die Spanier und die Inkas und Azteken damals: Afrikaner und Japaner, Schweizer und Chinesen.
Gemischtrassige Paare würden von einem Fond begünstigt.
Das müsste dann aber Kindergeld sein. Und auch die Mischlinge, die daraus hervorgehen, könnten sich bei diesem Fond anmelden und mit einer fremdrassigen oder anders gemischten Person eine Familie gründen.
Dann gebe es keine Rassen mehr. Nur noch Mischlinge von so und so viel Graden.
Kommentar verfassen