Stillen bietet Nahrung, aber auch Erholung für das Kind. Männer sind dazu nicht in der Lage, doch sie haben eigene Methoden. Dabei geht es um keinerlei Intimität, sondern um Beeren. Und um Boxen. Kurz gesagt: Die erwachsene Person bietet sich dem Kind als Boxsack an.

Dies vorweg klarzustellen lohnt sich auf jeden Fall, denn in der nervösen Verfassung unserer gegenwärtigen Öffentlichkeit blitzen Missverständnisse auf wie Bewegungsmelder in einer Feriensiedlung. Glücklich das Kind, das nahezu frei über die Brust seiner Mutter verfügt, wie oft es sie benötigt und bis zu welchem Alter. Dieser unter uns seltene Spielraum gehört zum Kontinuum-Konzept. Eine naturnahe Methode zur Kindespflege, die in den Staaten als mütterlicher Missbrauch geahndet wird. Als gingen irgendjemand die Gefühle an, die eine Mutter beim Stillen empfindet, als wüssten wir darüber Bescheid. Der Mann einer Frau, die diese Methode befolgte, ein Freund meinerseits, war froh, gleich in der Nähe der Wohnung in einem Brüsseler Stadtteil einen Markt zu haben. Wenn er mit dem Jungen im Tragetuch unterwegs war und der, obgleich frisch genährt, unruhig wurde, so konnte er ihm feine Beeren kaufen. Diese Stillung glückte durchaus, allerdings weniger zuverlässig als bei der Mutterbrust, die viel persönliche Wärme bietet.

Frische Beeren kommen also als Möglichkeit für Männer in Frage, ihr Kind zu stillen. Eine weitere Möglichkeit ist etwas komplizierter. Auch hier gibt es eine Art Kontinuum-Konzept: Ein Lehrer, also eine männliche Lehrkraft oder eine Lehrperson männlichen Geschlechts, nachfolgend als T benannt, bekam es mit einem kleinen Viertklässler namens P zu tun, der sich in Therapie befand, da er gerne aufbrauste und Grobheiten austeilte, ohne dass er sich unter Kontrolle hätte. Zudem war er von Geburt an ausserstande einzuschätzen, wann seine Tätlichkeit jemandem weh tat und wann sie zumutbar war. Seine Mitschüler beklagten sich oft, doch er wies ihre Klage als Ungerechtigkeit ab, was ihn zusätzlich empörte. Als T einmal in ein solches Handgemenge geriet, das besonders hitzig ablief, sah er keine andere Möglichkeit, die anderen zu schützen, als sich selbst, genauer seinen Bauch anzubieten, sodass P einen Ableiter fand, seine Wut schadlos auszuleben. Bei etwas Anspannung seiner Bauchmuskeln, überlegte sich T, sollte er, auch ohne dass er Boxer wäre, die Schläge eines Zehnjährigen doch spielend verkraften. Der Junge rammte also die Faust in seines Lehrers Bauch, noch entflammt von seiner Wut, stoppte jedoch abrupt, da er begriff, in welch absonderlicher Situation er sich befand. T zeigte ihm zwei Finger und mahnte, zweimal dürfe er noch zuschlagen, dann sei genug. P geriet in Verlegenheit, weshalb seine abschliessenden Schläge kaum spürbar waren.

Und Verlegenheit, das war T klar, bedeutete Intelligenz.

Ein paar Tage später bat P seinen Lehrer darum, die Schläge wiederholen zu dürfen. T erwiderte ohne Umschweife, im Angebot ständen zwei bis drei Boxstösse. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zwei müssten es sein, denn so könne er ihm quittieren, wie fest er zugschlage. Der erste Schlag kam einer kurzen Berührung gleich, da P seine Faust aus Scheu und Belustigung sogleich wieder zurückzog. Um herauszufinden, wann es zu viel sei, müsse er, so der Lehrer, schon tüchtiger zulangen. Und als der Junge sich dazu anschickte, sah er sich erst um, ob sie beobachtet würden. Da befiel ihn eine unbändige Lust, diese Grenze gezielt und unter zustimmender Aufsicht wirklich zu überschreiten, auch wenn er mehrmals von T dazu aufgefordert werden musste. So kam es, dass er sich an den Quittungen orientierte, die er von T bekam: Jetzt ist es zu stark. So geht es. Das war gar nichts. Und so fort.

Immer wieder suchte P nun Gelegenheiten für diese eigenartige Übung. Besonders dann, wenn er ärgerlich war, und der Lehrer liess es meistens zu. Mit der Zeit lernte T, an der Art, wie der Junge sich auf den Bauchschlag vorbereitete, ob die Faust rasch nach hinten ging und ob das Kind dabei die Brauen hochzog, die Stärke des Schlages vorauszusehen. So war es T möglich, die Anspannung seiner Bauchmuskeln danach auszurichten. Dem Kleinen jedoch lag es besonders am Herzen, dass die anderen davon nichts mitbekamen. Und eben aus diesem Grund, da der Junge auf Absonderung Wert legte, kam T überhaupt auf die Idee, diese Übung könnte eine Art des Stillens unter Männern bedeuten.

Die erwachsene Lehrkraft T bot dem Jungen reglementierten Zugang zu ihrer empfindlichen Mitte. Im besten Fall bewirkt das beim Jungen ein Gefühl, dass er trotz seiner Schwierigkeiten in dieser Gesellschaft aufgehoben ist.

Aufgehoben im Sinne Hegels als bewahrt und gesichert, wie es für Schwaben und Deutschschweizer zu sagen der Brauch ist.

Diese Geschichte könnte man so fortspinnen, dass T sich irgendwann genötigt sieht, die Bauchschläge auch den andern Jungs zur Erholung anzubieten, da die Absonderung bei Wiederholung schwierig zu bewerkstelligen ist. Sie sollte unter den Jungs öffentlich sein. So käme es dann, dass T dadurch sich eine beachtliche Bauchanspannungsfitness antrainierte, bis er fand, es wäre Zeit, ein Boxtraining in Angriff zu nehmen und irgendwann sogar in den Ring zu steigen.

Diese Geschichte könnte folglich mit der Frage beginnen, wie es gekommen sei, dass Lehrer T noch in späten Jahren zum Boxer wurde.