Eine Kollegin erduldet Streit zwischen Ehemann und Sohn bald täglich seit Monaten. Bei aller Liebe findet sie, ihr Mann nehme seine Vaterschaft zu ernst. Gemessen an heutigen Ansprüchen. Nur ein klein wenig Nachsicht würde das Verhältnis beruhigen. Wie so oft steht einer kleinen Verhaltensänderung eine sture Natur entgegen, die auch ihre Gründe hat.
Meine persönliche Rolle in dieser Sache beschränkt sich auf eine Art Pflegevaterschaft, bei der ich annahm, der Umstand, dass keine natürliche Bindung vorliegt, führe von allein zu mehr Lockerheit im Verhältnis zum Jungen meiner Partnerin Moongirl. Darin irrte ich, zumindest was die früheren Jahre angeht.
Mein Vater hat zu mir Abstand gehalten. Später klärte sich, dass er mich vor seiner Person verschonte. Denn er war mit dieser Rolle uneins. Aus dem Grund, dass sein eigener Vater unentwegt nervös und überfürsorglich in sein Leben pfuschte. Was ich als kritische Ablehnung begriff, also sein Abstandhalten zu mir, erwies sich als intimes Problem, nämlich seine brüchige Vaterschaft. So kann es durchaus der Fall sein, dass mein Vater im Umgang mit mir erfuhr, wie er seinem Vater immer ähnlicher wurde.
Nach wie vor hielt er also seinen eigenen Vater auf Abstand.
Und nicht mich als Person, wie ich fälschlicherweise der Überzeugung war. Auch hier hätte eine kleine Verhaltensveränderung eine Lösung gebracht, als würde eine Variable geschickt in eine Gleichung gefügt. Ich höre meine Mutter, wie sie sich mehr Nähe zwischen Vater und Sohn wünscht. Das mag oberflächlich gesehen stimmig sein. Jedoch müsste man dazu die Geschichte dieser Vaterschaft umschreiben. Und das lässt sich kaum von einem Augenblick auf den anderen bewerkstelligen.
Von solchen natürlichen Befangenheiten glaubte ich mich in meiner Pflegevaterschaft befreit. Aber auch hier erlebte ich die Härte einer Natur, die Vaterschaft um jeden Preis so weitergeben lässt, wie sie unkritisch am eigenen Leib erfahren wurde.
Denn immer in heiklen Momenten, wenn ich den Jungen meiner Partnerin ins Auge fasste, sah ich, wie mein Vater mich anblickt.
Wie zwei Folien übereinandergelegt.
Dieses Bild hat sich erst in letzter Zeit verflüchtigt, seit der Junge das Gymnasium besucht. Ich konnte es nicht vermeiden, so sehr ich es wollte. Als Anfänger setzte ich eine Vaterschaft gegenüber einem Jungen fort, wie ich sie selbst erlebt hatte. Gegen meinen Willen und in vertauschten Rollen.
An meiner Unfähigkeit, das Bild meines Vaters loszuwerden, wenn ich selbst Vater war, sehe ich eine sture Natur an mir ihr Werk vollziehen. Und was man nicht verändern kann, das muss man lieben. Auch an sich selbst. Und das wohl zuerst. Diese Rücksicht, dieser Respekt, das zu lieben, was sich nicht ändern lässt, gilt auch den Söhnen in ihrem schwierigen Heranwachsen.
Leben bedeutet Veränderung, das wissen wir. Je nach Bedarf aber bewahrt es auch um jeden Preis.
Denn beides, Regelbruch und Bewahrung sind ihm von Nutzen.
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