Im Vergleich zum Weltall sind wir Menschen verschwindend klein. Und also unbedeutend. Dieses Urteil ist sehr beliebt. Wer vor Gericht so plädierte, würde wegen Befangenheit abgewiesen. Im Übrigen ist das Urteil argumentativ unbrauchbar. Man kann den Grössenvergleich zwischen Menschheit und Weltall leicht bestätigen, man muss nur Zahlen sprechen lassen. Genau so leicht jedoch lässt sich die Schlussfolgerung `klein also unbedeutend` bestreiten.
Denn ein Virus ist verschwindend klein, aber je nach dem höchst bedeutsam. Das wissen wir im Moment nur zu genau. Ebenso oft bekommen wir zu hören, die Menschheit gebe es innerhalb der irdischen Entwicklung erst seit einem Wimpernschlag. Auch dies ändert nichts daran, dass die Schlussfolgerung `erst zur Welt gekommen, also unbedeutend` falsch ist. Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann andernorts laut Chaostheorie einen Wirbelsturm auslösen. Auch dieses Beispiel ist in Gesprächen sehr beliebt. Und welcher Säugling sollte unbedeutend sein, nur weil er soeben geboren wurde.
Wer so urteilt, gibt einer Sorge Ausdruck, die genauso alt ist wie die Menschheit selbst: Nämlich dass wir uns in eine Überheblichkeit versteigen, die vor nichts mehr Halt macht. Und für diese Sorge besteht wohl Grund genug. Daher widersetzen sich diese Kritiker heftig der Lehrmeinung, die Menschheit bilde die Krone der Schöpfung. Leider übersehen sie, dass diese Doktrin zu einer Zeit Gültigkeit beanspruchte, als Menschen im Schlamm lebten und Schmerzen und Todesängste ausstanden.
Die Lehrmeinung gleicht dieses Elend aus, indem sie den Menschen krönt.
Die späteren Demütigungen der Menschheit, die mit den Namen Kopernikus, Darwin, Freud und Einstein verbunden sind, haben dieselbe Aufgabe inne: Sie gleichen ein Menschenleben aus, das sich in Wohlstand und Luxus eingerichtet hat, indem sie den Menschen in seiner Überheblichkeit erniedrigen. Diese Ausgleichsprozesse haben mit dem Leben schlechthin zu tun. Funkelnde Überhöhung und stinkende Minderwertigkeit nehmen wir für so dramatisch und vor allem für endgültig.
Dabei gehen sie auf in den dynamischen Verhältnismässigkeiten des Lebens.
Wenn wir die Grösse der Milchstrasse mit der Ausdehnung unserer Kontinente vergleichen, mag es uns mulmig zumute werden. Das liegt daran, dass wir diese Vergleichswerte für fixiert halten. Aber das stimmt nicht. Wer ein Höher und Weiter, ein Grösser oder Wertloser feststellt und daraus moralische Schlüsse zieht, hat sich wie ein panisches Tier in einer unendlichen Skala festgekrallt, auf dem der kosmische Vergleich gleitet und einrastet nach Belieben und Bedarf wie ein Zoom.
Alle diese fixen Grössen, die uns bedrücken und aufwühlen, verlieren ihre Brisanz im kosmischen Vergleich, der ins Unendliche geht. Ins unendlich Kleine wie ins unendlich Grosse.
So erfassen wir kosmische Verhältnisse. Wie ein Zoom.
Gleitend von einer Unendlichkeit in die andere.
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