Die Listen der Merkmale für Sozialkompetenz sind unvollständig. Zwei wesentliche fehlen.
Bei Sozialkompetenz geht es um Kritik, um Konflikte, um Zusammenarbeit und Einfühlung, aber auch um Durchsetzungskraft. Ein wesentlicher Punkt ist unter anderem der Umgang mit sich selbst. Abgesehen von der leiden Tatsache, dass seit Jahren in beinah inflationärer Weise von Kompetenz im Allgemeinen die Rede ist, obwohl über ihre Definition keine Einigkeit besteht, wären hier zwei Merkmale zu ergänzen, die im Bildungsdiskurs vielleicht ungewöhnlich anmuten, im alltäglichen Leben jedoch unter Menschen höchst wirksam sind. Das eine ist rasch dargelegt:
Zur Sozialkompetenz gehört Selbstironie.
Selbstironie als das besondere Gewürz, als delikate Zutat im zwischenmenschlichen Umgang. Wenn ich es mir jedoch genau überlege, sollte sie doch besser auf keiner Liste zu Sozialkompetenz auftauchen. Denn angenommen jemand lässt keine Gelegenheit aus, sich vor Anderen selbstironisch aufzuführen, mit Grinsen und Schenkelklopfen und nervösem Augenzwinkern, es käme aber nicht von Herzen, sodass allen Beteiligten klar wäre, dass hier einer nur die Liste erfüllt, damit er für sein Portfolio vorzüglich bewertet wird, dann kann man ebenso grosszügig darauf verzichten. Selbstironie, sofern sie von Herzen kommt, wäre die einzig wahre Sozialkompetenz, die allen anderen Eigenschaften auf der Strichliste die Anstrengung nimmt. Jedoch taugt sie leider zu keiner Vorschrift, höchstens zur Empfehlung, worin man heute ja gerne Vorschriften kleidet, damit ihnen in einer zunehmend wehleidigen Gesellschaft die Schärfe genommen wird.
Jedoch lässt sich niemandem abverlangen, was von Herzen kommen soll.
Nun zum zweiten Merkmal, das meines Erachtens noch fehlt: Vor wenigen Wochen lag ich ein paar Tage im Spital, mit einem Schlauch im Schritt. Es galt, vor einem möglichen Eingriff einen Infekt abzutöten. Ich nutzte die Zeit zu radikaler Erholung, zappte mich durch Fernsehkanäle, Stunde um Stunde, binschte durch eine halbe Serie, Staffel für Staffel. Ich versank in ozeanischer Seligkeit, mit nächtlichem Ausblick über die Stadt, unterbrochen nur von der Pflege, die regelmässig hereinkam und mir entschuldigend den Fiebermesser ins Ohr steckte. Noch selten fühlte ich mich so erfrischt und durchlüftet, als ich das Spital verliess.
Und bereit für das Leben.
Mit Anderen.
Wirksame Erholung seiner selbst, kurz und zweckmässig, mit welchen Mitteln auch immer, das gehört dringend auf die Liste der Merkmale für Sozialkompetenz. Denn du erholst dich nicht nur für dich selbst.
Sondern auch für andere.
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