Wie ein schnaubender Hornochse tappe ich auf dem Bildschirm herum. Dadurch wird das Handy noch langsamer, schliesslich muss es gleich mehrfach durchrechnen, was ich so sehr von ihm begehre. Eine Umgewöhnung auf mehr Langsamkeit steht ausser Frage. Dabei würde sie mich für die Zukunft fit machen. Und zwar nicht nur für meine persönliche Zukunft.
Im Alter werden sich die Dinge notwendigerweise verlangsamen. Ich werde langsamer gehen, langsamer essen, schlechter hören, unscharf sehen, langsamer die Dinge begreifen. Warum sollte ich mir nicht jetzt schon die fortlaufende Umgewöhnung antrainieren? Da fällt mir ein, dass Informatiker eine beinah wöchentliche Umgewöhnung gewohnt sind, denn bei System und Software jagen sich technische Neurungen ohne Unterlass. Informatiker könnten vorbildhaft wirken, indem sie weitergeben, wie sie zu dieser Metagewohnheit kommen. Wie man sich also Umgewöhnung angewöhnt.
Genau genommen wäre das sogar die Kompetenz zum Leben schlechthin.
Bei den Informatikern spielen sicher Strichlisten eine Rolle: Treten Veränderungen ein, gehe Posten für Posten dieser Listen durch, die du dir wie ein Werkzeug geschmiedet hast. Einen um den anderen, ohne dass du ein grosses Aufheben um den Verlust deiner bisherigen Gewohnheit vollführst. Für gesellschaftliche Veränderungen, sofern sie einen Abbau an Gewohnheiten bedeuten, fehlen solche Listen. Der bisherige Fortschritt lässt sich als eine Reihe von Entlastungen überblicken, an die man sich im Nu gewöhnt hat: Mechanisierung, Digitalisierung. Beschwerliches wird ausgelagert: Werkzeug, Maschine, Schrift, Buch, Rechner, Algorithmen.
Die Errungenschaften des Fortschritts bedeuten die Verwöhnung ganzer Völker.
Auch Rückschritte verlangen uns eine Umgewöhnung ab, die jedoch kaum ohne Zähneknirschen und bittersten Hader vonstattengeht. Derzeit ist eine Art Drehbuch der Corona-Grossseuche in Umlauf. Keine Ahnung, woher das stammt. Demnach wird in den nächsten Monaten die Arbeitslosigkeit drastisch zunehmen und das Finanzwesen zusammenbrechen. Andernorts ist von drohenden Engpässen in der Stromversorgung die Rede. Im Verlauf der Pandemie sind globale Versorgungsketten bereits ins Stocken geraten. Die Hysterie lässt sich kaum ausmalen, die bei Unterversorgung ausbräche. Auch wurde eine dreitägige Stilllegung des Internets vorausgesagt. Diese trat zwar nie ein.
Aber es dürfte auf der Hand liegen, wie unfähig wir wären, uns rasch und zweckmässig dieser düsteren Szenarien wegen umzugewöhnen. Zu Hause sitzen, für mehrere Tage, nur bei Kerzenlicht, kein Internet, kein Fernsehen, keine Zentralheizung. Was einst Normalzustand war, käme uns vor wie eine Hölle auf Erden.
Daher behalte ich mein gebrechliches Handy noch für eine Weile.
Und übe mich in Umgewöhnung. In Langsamkeit.
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