Es gehört zu den Aufgaben der Aufklärung, dass sie Mythen bekämpft. Das heutige Marketing richtet neue Mythen ein. Eine dieser Mythen heisst künstliche Intelligenz.
Eigentlich sollte ich gleich den Hammer hervornehmen, zumindest für zwei erste Schläge: Die Aufklärung selbst wurde schon als Mythos entlarvt. Das ist nicht weiter schlimm, denn so wurde an ihr selbst bereits Aufklärung vollzogen. Dann: Google verzichtet auf Marketing. Sie sagen, glaube den Technikern, nicht dem Marketing. Das scheint aber die Ausnahme zu sein. Zwei Aussprüche von einem Marketingspezialisten gaben mir zu denken. Und zwar aus dem Grund, dass er es völlig abwegig fand, man könnte diese Leitsätze überhaupt als bedenklich deuten. Der eine Ausspruch lautete: Man muss auf den Kopf des Kunden zielen, aber seinen Geldbeutel treffen. Der andere: Der Kunde ist so über den Tisch zu ziehen, dass er die Reibung als Nestwärme empfindet. Auf Nachfrage klärte sich meine Schwierigkeit: Der Marketingspezialist ging davon aus, dass der Kunde diese Vorgänge selbst durchschaut und sie an sich als Dienstleistung geschehen lässt. So weit wäre alles in Ordnung, auch wenn das Schiessen und Über-den-Tisch-ziehen einen schalen Beigeschmack hinterlässt. Bei mir zumindest.
Auf den Kopf zielen. Das könnte bedeuten die Kundschaft mit Mythen ködern. So keimt die Hoffnung, dass man dank des Marketings in der Öffentlichkeit dynamischer erscheint oder heldenhafter oder abenteuerlustiger, als es tatsächlich der Fall ist. Dieses Idealbild hält niemand durch, abseits der Öffentlichkeit und in alltäglicher Verstrickung ohnehin nicht.
Heute ist eher von Narrativen die Rede. Jede Werbung befördert das Narrativ vom sorglosen Individuum, das sich selbst bestimmt. Die Einzelperson erweist sich obendrein als Eklektiker, der so frei ist, dass er an Möglichkeiten nascht oder sie beim Schopf packt. Privatschulen präsentieren sich als lässige Innovatoren mit Pfiff. Als ehemals schwierige Kinder zogen sie aus, dem trägen Staat ein Schnippchen zu schlagen. So eine mögliche verkaufsträchtige Geschichte. Eben ein Mythos per Marketing.
Rückt man näher heran, wird klar, dass auch sie mit Wasser kochen.
Gegen Ideale, Narrative oder eben Mythen lässt sich nichts einwenden, solange wir sie von tatsächlichen Umständen unterscheiden. Aber das geschieht selten. Das so genannte falsche Bewusstsein herrscht vor.
Demnach halten wir für tatsächlich, was Marketing und Mythen vermitteln.
Künstliche Intelligenz treibt unsere Phantasien um. Dieser Ausdruck weckt genauso Begeisterung, wir er manchen Sorgen bereitet. Dabei handelt sich bloss um einen Begriff des Marketings, der bei Geldgebern für Wissenschaftsprojekte Interesse und Gefallen wecken sollte. Sachlicherweise hätte man von «begrenzter Regelkompetenz mit Rückkopplungsfunktion» reden sollen [p 43].
Aber das hätte wohl niemanden interessiert.
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