Am Ufer des Zürichsees, wo Asiaten neben Ganymed posieren, kaufte ich mir einen Becher Eis und machte Halt auf einer Bank. Meine Füsse hob ich aus den Latschen, denn es war Sommer und kühlender Asphalt im Schatten willkommen. Irgendwann schlug ich ein Bein über, während ich das Eis genüsslich löffelte. Ein Mädchen, das neben mir sass, hielt ihren Blick genau auf meinen Fuss gerichtet, der in den Raum ragte.

Man fragt sich, was daran interessant wäre. Da stellte ich fest, dass mein Fuss völlig durchgestreckt war, ja bis in die Zehenspitzen gebogen, während ich das Eis in mich hineinschlotzte.

Die durchgestreckte Zehe verriet meine Lust.

Das Mädchen erkannte mein rohes Vergnügen am Verschlingen dieser Süssspeise. Damit hatte sie einen Erwachsenen bei einer Kindlichkeit ertappt, die man sonst vor ihr peinlichst verborgen hielt wie vor allen Heranwachsenden, in der Angst, man könnte dadurch ihnen gegenüber an Autorität einbüssen. Ich bot ihr den Blick auf eine intime Rohnatur, bei der man gewiss sein darf, dass jeder sie an sich selbst zur Genüge kennt. Also auch das Mädchen: Eis schlotzen, mit Sahne beladen und von Beeren durchsetzt. Oder eine Rutsche hinuntersausen, immer wieder. Einen Augenblick lang war ich so beschämt, dass ich die Zehe lockerte, doch ich streckte sie sofort wieder aus. Denn als Erzieher war mir klar, dass es besser ist, wenn man seine Natürlichkeit den Heranwachsenden angemessen zeigt, damit sie sich darin wiedererkennen: Mein Bedürfnis, Freude zu haben. Meine Enttäuschbarkeit. Meine Ängste. Meine Verspieltheit.

Dadurch werde ich als Mensch für sie klar. So geraten wir einander auf Augenhöhe. Und das hilft den Heranwachsenden, dass sie annehmen, was ich ihnen als Lehrkraft im Auftrag der Gesellschaft abverlange.

Vielleicht fasste das Mädchen dadurch, dass es meine urtümliche Lust erkannt hat, ein Qentchen mehr Vertrauen zu einer schwer durchschaubaren Gesellschaft.

Denn es kommen in ihr Erwachsene vor, die wie sie solche Freude geniessen.