Nach den Millenials tritt nun die Generation Z auf den Plan. Damit löst beruflicher Ehrgeiz die Sorge um Freizeit und politische Korrektheit ab. Das sind beachtliche Unterschiede, aber ich halte sie für zufällig. Im Übrigen: Was soll nach Z kommen?
Das Gerede um Generationen begeistert mich, auch wenn es höchstens zu Marketingzwecken angetan scheint. Immerhin beschäftigen sich Soziologen damit. Demnach gehöre ich persönlich der Generation Golf an. Damit wird dieser würfelige Volkswagen gemeint, der damals auf den Markt kam. Wenn man Generationen miteinander vergleicht, stellt man Listen von Eigenarten zusammen. Was uns Golfer angeht, erinnere mich nur an zweierlei: Wir tragen absichtslose Frisuren. Und wir hängen uns Freitagstaschen um. Von meiner Warte aus würde ich ergänzen, dass Selbstverwirklichung uns am Herzen liegt. Die Verpflichtung für alle, beruflich wie familiär, hat sich in ihrer selbstverständlichen Gültigkeit schon etwas entschärft. Auch diskutieren wir fortwährend dies und das, üben Kritik, wo immer es geht und zeigen uns empfänglich dafür.
Wir Golfer reden mehr darüber, wie man leben soll, als dass wir leben.
Nach den Weicheiern nun also erneut hartgesottene Karrieristen. Alles kommt zurück, früher oder später. Ich vermute, dass die Abfolge solcher Eigenarten keineswegs zufällig geschieht. Hätten sich die Millenials bereits karrierebewusst gezeigt, würde die Generation Z in dieser Sache kürzertreten. Wahrscheinlich übernähme sie in etwa die Werte, zu denen sich Millenials bekennen. Es wäre falsch, hier etwas Unbewusstes zu bemühen. Auch Generationen beobachten einander. Sie vergleichen sich mit Modeströmung, wo man sich sehr wohl über Werte verständigt.
Genau wie Geschwister: Jedes Mal, wenn es Rosenkohl gab, fing meine Schwester an zu spucken. Also griff ich herzhaft zu. So holte ich mir das Lob meiner Eltern als ihr Kind, das Rosenkohl mag. Ob das Gemüse mir wirklich schmeckte oder nicht, weiss ich nicht mehr. Es war auch nicht von Bedeutung.
Das Eine ruft das Andere hervor. Je nach dem sogar sein Gegenteil.
Das lässt sich handlich am Wechsel vom Bürgertum zu den 68ern ablesen. Bei den Aufnahmen der Beatles auf dem Dach ihres Studios wechselt die Kamera von den bunt gekleideten Musikern mit Bart und Sonnenbrille auf Passanten unten auf der Strasse, die alle in Grautönen oder erdfarben gekleidet sind. Mit Schirm und Hut, einige ledern behandschuht: Aus graubraun wird bunt. Langes, wildes Haar statt Kurzhaarschnitt mit Scheitel. Wechselnde Intimbeziehung, statt eheliche Treue auf Lebenszeit. Ökologischer Sozialismus statt christdemokratischer Kapitalismus. Laissez-faire in der Erziehung statt herrische Zucht.
Der Kipppunkt ist allerdings von Herzen naiv: Man liest das Eigene genau dem Fremden ab, indem lediglich das Vorzeichen umgestellt wird.
So verkehrt sich alles in sein Gegenteil.
Ein weiteres Beispiel: Sechzehn Jahrgänge Mediamatiker unterrichtete ich an einem Stück. Die Bildungseinrichtung bestand aus zwei Klassen mit unterschiedlichen Jahrgängen, wobei die dritte einmal die Woche von auswärts kam. Dort gab es leistungsstarke Klassen, die sozial eher unterkühlt blieben, sowie Klassen, die einen trägen Haufen voller Kameradschaft bildeten.
Das Interessante dabei: Diese zwei Typen wechselten regelmässig ab.
Niemals folgten mehrere leistungsstarke Klassen aufeinander, ebensowenig leutselige Faulenzer. Im Nachhinein kommt es mir vor, als würden Neulinge sehr genau darüber Kenntnis nehmen, um welche Art von Klasse es sich beim älteren Jahrgang handelt. Und dass sie daraufhin eine Eigenart ausbilden, die in eine andere Richtung läuft. Dafür braucht es keine Absprachen. Ein gewisses Einverständnis wird geteilt, dass man als Gruppe etwas Eigenes haben möchte, das sie von anderen unterscheidet.
Dieses natürliche Ansinnen scheint jede pädagogische Mühe, aus einer Klasse grundsätzlich leistungsstarke Lerner zu formen, klammheimlich matt zu setzen.
Eine Art Trotz zur Eigenheit.
Viel Beobachtung, viel Deutungsarbeit passiert also zwischen Klassen, sowie auch zwischen Generationen. Diese eher trotzige als sachliche Abgrenzung spielt bekanntlich auch zwischen Fachbereichen der Wissenschaft, sicher auch zwischen Staatsorganen und Unternehmen, zwischen Unternehmen und Verwaltungsrat, zwischen Eltern und Lehrkräften.
Dieser Trotz gefällt mir. Niemand beherrscht diesen Trieb zur Eigenart. Da sind sonderbare Übereinkünfte im Spiel, die eher einfach so geschehen, als dass man sie untereinander träfe. In der Tat gibt es ein intimes Leben von Klassen. Das ist manchen Lehrkräften völlig klar, anderen bleibt es genauso verborgen wie den Ämtern der Bildungspolitik.
Das Leben streut verschiedene Typen unter seine Lebensformen, seien es Einzelpersonen oder Generationen. Am besten bringt es so etwas wie Menschen hervor, die um so mehr auf ihrer Eigenart beharren, je genauer sie sich mit anderen vergleichen.
Mit dieser trotzigen Pflege sorgen sie für den Fortbestand ihres Typs. Ob leistungsstark, gesellig, umweltbewusst, romantisch oder sonst gefühlsduselig, ob hartherzig oder feinsinnig.
Die kulturelle Evolution braucht sie alle.
Nicht immer, aber immer wieder.
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