Nun habe ich sozusagen alle Naturdokumentationen von David Attenborough durchstudiert, wenn nicht durchbuchstabiert, gewisse Folgen gleich mehrfach. Der Erkenntnisgewinn übersteigt bei Weitem manche Philosophielektüre.
Zahllose Einzelheiten wären hier erwähnenswert, auch ungeahnte Zusammenhänge, die beeindrucken. Hier versuche ich lediglich ein vorläufiges Fazit zu liefern, das möglichst allgemein ausfallen soll. Zunächst muss ich zugeben, dass der Unterschied zwischen Mensch und Natur nicht nur zweifelhaft wird, sondern allmählich ganz verschwindet. Wir meinen, unsere besondere Verfasstheit hebe uns über die übrige Natur hinaus, im Guten wie im Schlechten. Besondere Eigenschaften jedoch kommen allen Arten zu. Auch verhalten sich alle Lebensformen ausbeuterisch, wenn sie sich ungehindert ernähren und fortpflanzen.
Jedenfalls sehe ich überall die gleiche Intelligenz am Werk, ob bei Krillkrebsen oder Pottwalen.
Oder beim Menschen.
Die gleiche Intelligenz allerdings mit verschiedenen Möglichkeiten. Mir ist klar, dass diese Sichtweise auf den bekannten Zwiespalt zwischen Körper und Geist hinausläuft, der das ganze Abendland seit je umtreibt. Die immer gleiche Intelligenz des Lebens entfaltet sich in der Art, wie sie durch ihre jeweilige Verkörperung begünstigt, sprich behindert wird. Das trifft auch dann zu, wenn wir die Einheit von Körper und Geist annehmen. Also wenn wir zum Beispiel Materie als gebremste Energie auffassen. Wenn Geist also mit reiner Energie gleichzusetzen ist, was immer das sein soll, entfaltet er sich in verklumpter Energie genannt Körper nur, soweit es dieses Gehäuse erlaubt.
Die natürliche Auslese erklärt, wie Arten sich verzweigen oder untergehen. Aber sie greift nur, wenn etwas Intelligentes schon zur Welt gekommen ist. Das heisst, die natürliche Auslese gibt keine Erklärung dafür, wie es kommt, dass es überhaupt Leben gibt. Intelligenz meint begrifflich etwas, das sammelt und sortiert. Eine Lebensform filtert gewisse Dinge aus ihrer Umwelt, verwertet sie, baut sie anders zusammen. Seeotter binden ihre Jungen, aber auch die Beute oder sich selbst mit Seetang an Kelpstauden fest. Auch wenn ein Panther sich anpirscht, filtert er Verhaltensweisen, die genau auf Beute und Umstände abgestimmt sind, indem er Ursache und Wirkung vorausberechnet. Ein Raubtier, das trotz Hunger den letzten Sprung verzögert, da der Moment noch ungünstig ist, unterscheidet sich keineswegs von Menschen, die kühl und kalkuliert vorgehen.
Intelligenz geht nach Ursache und Wirkung vor, nach Grund und Folge. Als Lebensform ist sie selbst anhand natürlicher Kausalität organisiert: Venen sind mit Klappen bestückt, damit das Blut nicht zurückfliesst, Arterien sind es sinnvollerweise nicht. Der Blutstau würde sie beschädigen. Körper sind voller organisierter Kausalität. Ob diese nun zufällig entstanden ist, oder nach einem bestimmten Design verfasst, interessiert mich hier nicht. Der Atheist Thomas Nagel stellt heraus, dass die Lesart, die der Natur Absichten und damit Endzwecke unterstellt, der evolutionären Lesart überlegen ist.
Leben verkörpert eine Kausalität, die durch Intelligenz und Umwelt organisiert ist. Sie verändert intelligent ihre Umwelt, indem sie Kausalität organisiert.
Für die natürliche Auslese gibt es handfeste Belege. Das heisst aber nicht, dass sie die einzige Erklärung für sämtliche Belange des Lebendigen liefert. Naturwissenschaftler halten an Auslese und damit am Zufall fest, da sie befürchten, die Religion könnte eine Hintertür finden, wenn von intelligentem Design die Rede ist. Diese Sorge beruht darauf, dass man Religion mit Kirchenpolitik verwechselt. Religion heisst, dass man sich an das grösstmögliche Ganze hält, soweit es bekannt ist, und sein Verstehen von da bis in die feinsten Gegenwartsverhältnisse herab entwickelt. Oder ihr Gewirr von daher aufrollt. Das bedeutet wortwörtlich Religion.
Lebensformen unterliegen in ihrer Verfasstheit den Einflüssen der Umwelt. Ihre Intelligenz jedoch verändert ihrerseits diese Umwelt. Beides sind Formen natürlicher Auslese. Ob etwas natürlicherweise geschieht oder absichtlich bewirkt wird, ändert nichts daran, dass es sich um eine Auslese handelt.
Das ergibt eine einzige grosse Evolution des Lebens. Sie erzählt die Geschichte eines Metasuperorganismus, der unserblich ist und autophagisch. Das heisst, er verzehrt sich selbst, um zu bestehen. Tötung und Ernährung bedeuten lediglich eine Umverteilung von Energie innerhalb dieses Metasuperorganismus`.
Der zwar gegen seine gesamte Auslöschung antritt, die sehr wohl möglich ist, aber das Sterben seiner Phänotypen nicht etwa hinnimmt oder diese austrickst, sondern es zielsicher eingerichtet hat, wohl aus Gründen bestmöglichen Vorankommens.
Hin zur Abdrift von diesem Planeten.
Vielleicht.
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