Ranghohe Republikaner fallen in Ungnade, wenn sie an Trump Kritik üben. Wie kommt es, dass eine altehrwürdige Partei ihre Grundsätze den Launen eines grossen Kindes unterordnet? Hier der Versuch einer Erklärung, der allerdings nur auf Vermutungen hinausläuft. Nach dieser Lesart müsste sich Trump empört von seiner Partei abwenden.
Man hat den Eindruck, die Reichen und Reichsten seien im Zuge der zwei Weltkriege und der Aufbauzeit bis vielleicht 1990 darin unterbrochen worden, ihr Vermögen weiter zu scheffeln. Angesichts des allgemeinen Leidens stand Umverteilung klar zu Gebot. Die Löhne stiegen brav mit der Teuerung, schliesslich hat sich die Einsicht ins Menschengedächtnis gebrannt, dass Kriege unter anderem dann ausbrechen, wenn das Geringlohnsegment unterversorgt ist. Das meritokratische Ideal, man habe auch verdient, was man so zusammenrafft, fand damals keinerlei Nährboden zum Gedeihen.
Erst nachdem der Wohlstand auch den Bodensatz einer Gesellschaft benetzte, kam die Meinung auf, es sei nun genug umverteilt. In der Tat, es ist keineswegs ausgemacht, dass man allen auch zu Luxus verhelfen soll. Natürlich sind Käufer aus allen Schichten erwünscht. Entsprechend sollen sie zahlungskräftig sein. Auch die Ansprüche steigen, was zur Grundversorgung gehört und was nicht. Fernsehgeräte sind schon lange nicht mehr pfändbar. Nun galt es, die Märkte zu entfesseln: Freie Grenzen, Entstaatlichung so weit wie möglich.
Die Firmen nahmen früher eine Art Patronage ihren Angestellten gegenüber wahr. Diese Aufgabe verkehrt sich nun in das Bemühen, stattdessen ein Portfolio hinzubekommen, das die Firma für einen einträglichen Weiterverkauf am Finanzmarkt empfiehlt. Keine Patronage mehr, kein geschützter Binnenmarkt mehr. Jeder sorgt für sich selbst. Arm und Reich klaffen weiter auseinander. Tatsächliche Chancengleichheit sollte diese Fehlentwicklung absegnen. Dazu hat man die Hochschulen nach unten nivelliert und das Bildungssystem bürokratisch so durchreguliert, dass Chancengleichheit garantiert ist. Leider jedoch ist es ausgeschlossen, dass alle Karriere machen und Millionen kassieren. In Genf sind Architekten zuhauf ansässig, aber es gibt fast keine Maurer mehr, sagt man. Leider sind Begabungen und günstige Startbedingungen unter Menschen ungleich verteilt. Leider hängt das Scheffeln von Reichtümern keineswegs von bestimmten Talenten ab, eher von Zufällen innerhalb eines Netzwerkes, das Anschluss nur bedingt gewährt.
Die gut gemeinte Chancengleichheit vertuscht eine klaffende Ungleichheit. Überheblichkeit und Demütigung grassieren im Land. Eine betuchte Elite, vereint in politischer Korrektheit und globalem Gemeinsinn, nutztniesst davon beträchtlich. So gesehen verwundert es nicht, dass sich ein Populismus zusammenrottet und Ausgleich erstreitet, wo immer es geht. Das erklärt die Sturheit noch nicht ganz, mit der an Trump festgehalten wird. Republikaner wollen die meritokratische Ungleichheit. Sie wollen, dass alle Güter und Vorzüge geniessen dürfen, wie es ihnen gefällt, solange sie sich persönlich dafür verausgaben. Das ist nur ein Ideal, wie man weiss. Umverteilung fördert aus Sicht der Republikaner die faulen Triebe am gesunden Gewächs des amerikanischen Volkes.
Aber sie wissen genau, wo immer Ungleichheit Überhand nimmt, da mehren sich die Stimmen, die Umverteilung verlangen. In einer Demokratie schlägt sich das auf die Wahlergebnisse nieder. Daher liegt dieser Partei ein feinmaschiger Föderalismus am Herzen, wo Staatlichkeit noch gerade erträglich ist, etwa wie in der Schweiz. So hätten die Schweizer Kantone während der Pandemie niemals einen Lockdown verhängen können, so sehr sind Staat und Wirtschaft auch privat verbandelt.
Trump ist ein nützlicher Polterer, denn er verschreckt Gutmenschen wie Umverteilungsbefürworter, also Demokraten, sprich Sozialisten aus republikanischer Sicht. Nützlich, weil politische Korrektheit ihn keinen Deut schert. Nützlich, weil er offen lügt. Nützlich, weil ihm Tabus egal sind.
In dieser politischen Lage, die Republikaner offensichtlich als prekär einschätzen, dient seine Unverschämtheit der republikanischen Sache mehr als Ranghöhe und Linientreue.
Ich weiss, die folgende Liste ist heikel, und ich lasse ihren umstrittensten Posten besser aus, um Missverständnissen zuvorzukommen: Die Sowjets liessen, statt eines Intellektuellen, lieber einen Kriminellen als Führer zu. Kuba versprach sich viel von der ikonenhaften Bekanntheit seines Argentiners, auch wenn er als Minister zu nichts taugte. Und dem französischen Direktorium kam 1798 ein hitziger Korse gerade richtig. Ein Tabubrecher schlechthin, auf den man aufmerksam wurde, als er zum ersten Mal Kanonen auf Zivilisten richtete und so Aufstände sogleich bodigte.
Die Formel wäre diese: Lobhudle ein paar Spinner aus deinen Reihen hoch. Dann lasse sie wichtige Drecksarbeit verrichten.
Scheitern sie, erweist sich ihre Unart erneut als nützlich, denn sie gibt zusätzliche Rechtfertigung dafür, dass man sich dieser Führerschaft entledigt.
Deshalb: Armer Trump.
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