Schüler fragten mich, ob ich an die Hölle glaube. Ich selbst war erstaunt darüber, wie eindeutig ich ihre Frage verneinte.
Diese Leichtigkeit ist keineswegs selbstverständlich, wenn man erwägt, wie sehr die Menschen über Jahrhunderte ihre Verdammnis fürchteten. Die Zündung zur Reformation wäre ohne diese Angst ausgeblieben. Und es ist mir keineswegs als Eigenleistung anzurechnen, dass ich mich so leicht darüber hinwegsetze. Umgekehrt ist es schon erstaunlich, dass der Glaube an eine Hölle noch heute im Unterricht eine Rolle spielt. Immerhin beschäftigte diese Frage die Kinder keineswegs so nebenbei. Und meine Antwort schien für sie durchaus bedeutsam zu sein.
Mein Unglaube an Hölle und Verdammnis verdankt sich einer Gesellschaft, die sich zumindest öffentlich für aufgeklärt hält. Es gibt keinen sachlichen Beleg für die Hölle. Umgekehrt sind im Einzugsbereich des Amazonas Tierarten anzunehmen, die wir noch nicht kennen. Auch von ihnen gibt es keinen Beleg, sondern bloss die errechnete Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens. Trotzdem halten wir die Annahme ihrer Existenz für sinnvoll.
Wie wahrscheinlich also ist die Hölle? Genauso wahrscheinlich wie der Himmel, wie die jungfräuliche Geburt, wie der erweckte Lazarus, wie der brennende Dornbusch. Also unwahrscheinlich. Wundersame Einzelereignisse haben keinen Platz im aufgeklärten Weltbild. Das könnte sich auch als Nachteil herausstellen.
Gegen die Hölle spricht zudem die aufgeklärte Rechtsprechung. Eine Strafe hat verhältnismässig zu sein. Das ist niemals der Fall, wenn sie ewig wären soll, also unendliche Male lebenslänglich. Und dann noch schmoren in der Glut. Kein Verbrechen rechtfertigt dieses Leiden, auch kein Völkermord, noch bösartigster Missbrauch. Ein Gott, der sich über diese Verhältnismässigkeit hinwegsetzt, leuchtet mir nicht ein. Dem Judentum hingegen schon. Für Juden darf Gott schalten, wie es ihm passt. Auch wenn er seine halbe Schöpfung ertränkt oder einen greisen Vater auf die Probe stellt, dass er seinen einzigen Sohn rituell ermorden soll. Diese Freiheit kennzeichnet seine Göttlichkeit.
Hölle und Verdammnis sind doch sehr gefühlsbeladene Gegenstände. Für Nietzsche bedeutet der Glaube daran eine Auflehnung der Schwachen, dass die Mächtigen, die sich straffrei über sie hinwegsetzen, irgendwann ganz gewiss Rechenschaft abzulegen haben. Da hilft kein Trick dagegen. Das gefällt mir. Dieser Gedanke wirkt so verführerisch wie alles an Nietzsche. Denn die Annahme einer Hölle gehört zu einer Politik der Angst. Daher lehne ich sie ab.
Noch heute wird mit Angst politisiert. Und das geschieht immer dann, wenn die Lage für höchst dringlich eingeschätzt wird, sodass man Panik erzeugt, nur damit sich die Mittel beschleunigen. Nur so kommt man auf einen derartigen Verhältnisblödsinn, wie das Konzept der Hölle einer ist.
Anders betrachtet jedoch bildet gerade diese Unverhältnismässigkeit die Dringlichkeit im genau richtigen Mass ab, nämlich dass ein Höllenglaube die Leute, die gerne Chaos stiften, mässigen und binden soll.
Einmal mehr bin ich einfach zu verwöhnt vor lauter Sicherheit, um diesen Zusammenhang auf Anhieb zu verstehen.
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