Die Vorstellung, wir seien als Einzelperson mit einer Freiheit ausgestattet, die irgendwie in uns wäre, ergibt keinen Sinn. Freiheit lässt sich nur politisch verstehen. Demnach spielt sie sich unter Menschen ab, jedoch nicht in ihnen.

Was Freiheit ist, kann endlose Debatten auslösen. Philosophisch gilt sie für schwieriges Terrain. Unzweideutig wird klar, was Freiheit bedeutet, wenn man uns die Grundrechte streitig macht, uns also die Spielräume beschränkt, den Mund verbietet, uns bei Leib und Leben vorsätzlich gefährdet. Wer aus solchem Ungemach erlöst wird, begreift diese Grundrechte klar als Freiheit. Andere wie ich, die darin aufwuchsen wie in Watte gebettet, müssen diese Klarheit erst mühsam in den Blick bekommen.

Freiheit als Ergebnis einer Erlösung erklärt sich von selbst. Man erinnert sich, wie man aufatmen durfte.

Genau dieses Aufatmen bezeugt, was Freiheit ist.

Freiheit meint Wahlfreiheit. Unbeschränkte Wahlfreiheit geistert als kindliche Wunschvorstellung in allen Altern menschlichen Lebens. Gäbe es sie, wäre allerdings auch diese Freiheit keine gänzlich reine: Eine Schülerin hat zu meiner Verblüffung eine Bedingung von Freiheit dargelegt, die mir bisher unklar war. Völlig beiläufig meinte sie, wir seien nur dann frei und nur solange, als Andere dazu bereit wären, uns diese Freiheit zu lassen. Allein dieser Gesichtspunkt zeigt, dass auch Freiheit Abhängigkeit bedeutet. Ich bin nur so weit frei, als andere mir diese Freiheit zugestehen.

Die innere oder intime Freiheit, von der die Rede sein soll, bedeutet vielleicht die intimen Vorgänge, die nötig sind, um in einer bestimmten Angelegenheit zwischen Möglichkeiten eine Wahl zu treffen, seien das Einfälle, Überlegungen oder Erkenntnisse, die uns zum Handeln bewegen. Dabei fällt auf, dass nur solche Handlungen als Beleg einer inneren Freiheit anerkannt sind, die mir, aber auch anderen von Nutzen sind. Vorgehensweisen jedoch, die schädlich sind, bezeugen das Gegenteil, nämlich die Unfreiheit des Täters. Bei schädlichen Handlungen hält man uns für verstrickt in eine triebhafte Natur, bei nützlichen hingegen erstrahlen wir in souveräner Freiheit. Der Unterschied spielt jedoch nur ausserhalb, nämlich in der Wahrnehmung derer, die daran leiden oder daraus Nutzen ziehen.

So zeigt sich erneut, dass Freiheit nur eine politische Bewandtnis hat.

In beiden Fällen, also bei nützlichen wie schädlichen Handlungen, sind Ideen, Absichten, Einfälle und Überlegungen im Spiel, die in uns gleichsam auftauchen.

Sie passieren einfach. In uns.

Bei sozial verträglichen Impulsen halten wir uns für ihre Urheber, obgleich wir dafür keine Garantie haben. Der Stuttgarter Psychiater Werner Geist stellte die Frage, was wir eigentlich dafürkönnten, wenn uns zündende Einfälle oder Aha-Erlebnisse heimsuchten. Sie tauchten in uns auf. Einfach so? Damit gelangen wir an den entscheidenden Punkt:

Wer uns die freie Urheberschaft über unsere Ideen und Einfälle zugesteht, der muss behaupten, sie seien von jeder Verursachung abgekoppelt, die unserer bewussten Persönlichkeit fremd wäre.

Keine tiefere Gehirnschicht darf Einfälle, Absichten oder Aha-Erlebnisse vorbereiten, kein Stammhirn da hineinzündeln. Also gilt, dass sie jeder Kette von Ursache und Wirkung, von Grund und Folge enthoben sind.

Der einzige, von dem wir das selbstverständlich annehmen, ist Gott.

Schon immer hat mich der Argwohn beschäftigt, dass hier ein überstürzter Ausgleich vorliegt. Das eine Extrem kippt in sein Gegenteil. Wie so oft: Die Moderne hat das Konzept Gottes sozusagen intimisiert, also in die einzelne Person verlegt. Eine Hybris schlechthin, für Gläubige zumindest. So gewinnt die Moderne die volle Verantwortlichkeit der Einzelperson und damit ihre volle Haftbarkeit. Innere Freiheit bedeutet eine Verkehrung der Auffassung von Gott in die Intimität des einzelnen Menschen.

Dagegen spricht mit aller Deutlichkeit die Wissenschaft. Immerhin eine Leitdisziplin modernen Lebens.