Der Mensch kennt kein Mass. Im Gegensatz zur Natur. Diese Ansicht gilt selbstverständlich, eigentlich seit je. Höchste Zeit sie zu widerlegen.
Mag sein, dass ein Tier Mass hält, wenn es frisst, und sich nicht übersättigt. Bei wiederholtem Hunger kennt aber auch ein Tier kein Mass. Junge Triebe würden vom Wild restlos weggefressen, fehlten die Wölfe, die es dazu nötigen, den Fressplatz immer wieder zu wechseln. Kelpwälder gehen ein, so unersättlich sind Seeigel, gäbe es keine Seeotter, die in ihren Kronschichten treiben und mehrmals täglich Seeigel vom Grund heraufholen und aufknacken.
Der Unterschied zur Natur liegt also nicht in unserer vielgescholtenen Unmässigkeit, sondern darin, dass uns Fressfeinde abhandengekommen sind. Bären, Wölfe, Haie. Der Einwand, wir hätten sie ausgerottet, folgt auf dem Fuss. Wir taten es kraft der Eigenschaften, mit denen uns die Natur ausgestattet hat.
Nun schützen wir diese Tiere.
Eigentlich wäre eben diese Sorge ein naturwidriges Verhalten. Denn keine Art kümmert sich sonst um eine andere. Es sei denn in gegenseitiger Abhängigkeit. Und was uns angeht, so haben wir längst eingesehen, dass wir einseitig von der übrigen Natur abhängen. Das ändert jedoch nichts daran, dass dieses Verhalten, das wir an uns als unmässig beschimpfen, natürlich ist und nicht im eigentümlichen Sinne menschlich. Dafür wirkt bei uns das ökologische Nein zum naturgemässen Ausbeuten als Ersatz dafür, dass uns Fressfeinde fehlen.
Das Leben besetzt seine Möglichkeitsräume vollständig, wenn es ungehindert vorgehen kann. Das gilt für Menschen wie für Tiere und Pflanzen gleichermassen.
Immerhin kann man festhalten, dass das Leben eine Art hervorgebracht hat, die sich selbst beschimpft. Wahrscheinlich zieht es daraus einen ungewissen Nutzen. Beschimpfen bedeutet immerhin eine Form betonter Aufmerksamkeit.
Das Leben nutzt alle erdenklichen Mittel, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, sei es mittels der Sinne, sei es durch moralische Empfindlichkeit.
Ich sehe da keinen wesentlichen Unterschied mehr.
April 18, 2021 at 5:34 pm
Hi Paschq, beeindruckend!