Meine Mutter schätzt virtuelle Kontakte, jedoch lässt sie Smileys ungenutzt, die ansonst reichlich zum Einsatz kommen. Was ich letzthin über diese lustige Art sich auszudrücken, entdeckt habe, überzeugt sie gleichwohl kaum.

Emotikons überhaupt kommen ihr wie eine Kinderei vor. Daher berührt es sie auch peinlich, wenn ich ihr zur Antwort einen Zwinker schicke oder einen Partygänger mit Tröte zwischen den Lippen. Mir persönlich kann es nicht genug davon geben. Allerdings nicht aus blosser Spielerei.

Letzthin ist mir nämlich klar geworden, dass Emotikons wörtlich zu verstehen sind.

Sie lassen sich unmöglich ironisch auffassen. Ironie erkennen wir an Gestik und Tonfall, wie sie sich in einem bestimmten Sinnzusammenhang ausnehmen. Dank dieser Gewohnheit begreifen wir auch schriftlich verfasste Ironie. Ein Smiley tritt bar solcher Zusammenhänge auf. Demnach kann er nur in genau der Bedeutung begriffen werden, die ihm öffentlich zugesprochen wird. Jede Gefühlslage, jede Meinungsäusserung wird als Emotikon unverstellt zum Ausdruck gebracht. Nichts lässt sich damit beschönigen oder anklingen, sodass es man knifflig ausdeuten müsste.

So, wie es da steht, so ist es gemeint.

Die gängige Kritik, virtuelle Kontakte seien keine echten Freundschaften, steht damit auf dem Prüfstand. Schon immer fand ich diese Kritik fragwürdig. Warum soll die unmittelbare Begegnung Echtheit zusichern? Methoden zur Verstellung sind hinlänglich bekannt: Aufgesetztes Lächeln, überbetonte Förmlichkeit, die sich für natürlich gibt, markiertes Interesse. An feudalen Höfen zu überleben war nur dank Verstellung möglich. Auch an Hochschulen lohnt sich heute ein betont freundlicher Umgang mit Dozenten. Schliesslich vergeben sie Leistungspunkte.

All diese Verstellung ist bei Emotikons unmöglich.

Vielleicht deutet das auf einen Umstand hin, mit dem wir uns abzufinden haben: Nämlich dass virtuelle Kontakte sogar echter ablaufen als faktische Begegnungen.

Oder wie man sie bezeichnen möchte.