Nun hat die Unsitte auch die Pausenplätze erreicht: Dass man nachtritt, wenn der Gegner schon auf dem Boden liegt. Über diese Verrohung schütteln wir den Kopf. So ergeht es jeder Generation, wenn sie ins Alter kommt. Boxer wie Muhammad Ali könnten in der Sache vorbildhaft wirken. Sie wissen, wann genug ist.
Für Cassius Clay alias Muhammad Ali wäre es jenseits aller Vorstellung gewesen, wenn er Gegner, die auf die Bretter fallen, weiterhin traktierte. In einem seiner berühmtesten Kämpfe streckte er den überlegenen Foreman mit neun Treffern nieder. Zuvor hatte er ihn über mehrere Runde mürbe gemacht, indem er ohne Unterlass rücklings in die Seile auswich. Und er hält den zehnten Treffer zitternd in der Rechten bereit, während er prüft, wie Foreman fällt. Sehr rasch wird ihm klar, dass dieser abschliessende Schlag unnötig ist. Die Faust entspannt sich, der Gegner findet sich auf den Brettern hockend wieder, während er ausgezählt wird.
Kairos bedeutet den richtigen Augenblick für eine bestimmte Sache. Landwirte haben einen besonderen Sinn dafür. Sie wissen genau, wann für etwas Zeit ist und wann nicht. So wird Bauholz nur im Winter geschlagen. Auch Köche sind Kairos-Künstler. Kairos ist Erkennen und richtig Handeln in einem. In Rücksicht auf dieses eine Stück Welt, mit dem wir zu tun haben, indem das nötige Zeitfenster erkannt und berücksichtigt wird. Dieses Zeitfenster kann Monate dauern.
Oder eben nur ein Wimpernschlag. Wie bei Mohammad Ali in Kingshasa.
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