Darf ich Mohammed öffentlich verhöhnen? Ich meine: Nein. Allerdings nicht aus Angst, man könnte mir den Kopf abschneiden. Der Grund meiner Ablehnung liegt an einer aufgeklärten Politik, die auf die globalen Verhältnisse Rücksicht nimmt. Aber sie ist alles andere als gebräuchlich.Ich bin weder Muslim noch bekennender Anhänger sonst einer Religion. Laut Taufschein wäre ich dem Katholizismus verpflichtet. Eine Bewegung, die mich ästhetisch anspricht. Geschmacksachen dieser Art reichen jedoch kaum dazu hin, dass ich ein anderes Bekenntnis wie den Islam angriffe. Dazu kommt, dass mir das Handwerk der Karikatur durchaus Eindruck macht. Dennoch gibt es dort ein paar Gesichtspunkte zu erwägen, die für das Thema einschlägig sind: Die Karikatur soll ausgleichen. Jemand wird in seinem Selbstanspruch etwas zurechtgestutzt. Immerhin lässt die Kritik ein Schmunzeln zu. Sie kommt also friedfertig daher, mit viel Witz und Verstand. Karikaturen bekämpft man daher am besten, indem man einfach darüber hinwegsieht. Man tut so, als gäbe es sie gar nicht. Oder man verhält sich wie Sokrates, der einfach mitlacht. Damals, als Aristophanes ihn auf der Bühne als eine Figur lächerlich machte, die sich in einer Hängematte räkelt und mit Blähungen und Fürzen beschäftigt ist, sei er während der Aufführung angeblich von seinem Platz aufgestanden und habe sich vor den anderen Zuschauern verneigt. Wir reden hier immerhin von einer Gründerfigur der abendländischen Kultur.

Selbstironie wäre die beste Waffe gegen Karikaturen.

Die Kopfabschneider sind offensichtlich dazu ausserstande. Warum nur? Auch entgeht ihnen, dass Karikaturisten kaum Personen oder Kulturen in den Schmutz ziehen, die politisch, sozial oder wirtschaftlich schon erledigt sind. Mag sein, dass die Zeichenkünstler befürchten, Europa könnte sich schleichend islamisieren. Sie persönlich würden diese Entwicklung kaum abwenden, sollte sie denn tatsächlich stattfinden.

Demnach handeln oder zeichnen sie aus Unterlegenheit.

Karikaturen passen denn auch vorzüglich in den Herrschaftsbereich von Diktaturen, indem sie diese Übermacht geistreich verhöhnen. So gesehen wird die Aufgabe von Karikaturen in demokratischen Verhältnissen auf einmal zweifelhaft. Dort gilt die Meinungsfreiheit und Karikaturen als ein Ausdruck davon. Eine Übermacht wird beschnitten, indem man Mehrheiten gegen sie aufstellt. Ergibt sich keine Mehrheit, so hat man sich damit abzufinden. Karikaturen erweisen sich in demokratischen Verhältnissen eher als überflüssig, wenn man es genau nimmt. Wer immer karikiert wird, sollte feiern, dass er für übermächtig eingeschätzt wird. Vielleicht reibt er sich die Augen. Man müsste die Karikatur seiner Person als Auszeichnung verstehen. Aber so wird es selten bis nie wahrgenommen. Juristisch jedenfalls liegt die Sache klar: Das Recht auf persönliche Unversehrtheit steht über der Meinungsfreiheit. Das heisst, meine Meinung darf andere nicht bedrohen, in welcher Hinsicht auch immer. Somit auch punkto persönlicher Identität. Wir schütteln den Kopf, wenn jemand sich wegen einer Zeichnung derart in Frage gestellt sieht, dass er glaubt töten zu müssen. Das würde jedoch bedeuten, dass wir entscheiden, wann sich jemand bedroht zu fühlen hat und wann nicht.

Die Bedrohung bestimmt die Person, die sie erleidet. Das scheint mir natürlich und naheliegend.

Und: Wer sich bedroht fühlt, kann nicht selbstironisch sein.

Selbstironie erfordert Frieden. Es mag uns schwerfallen, aber wir sollten anerkennen, dass der westliche Einfluss nicht nur als Beglückung, sondern als Gefahr erachtet wird, die in die Mitte trifft: Sie verändert die Identität, die Orientierung eines bestimmten Gemeinwesens, dem man angehört. Die Formel dazu lautet einfach:

Wohlstand macht Tradition überflüssig.

Sicher aber wird sie zur Privatsache herabgewürdigt. Nicht aus meiner Sicht, aber in der Wahrnehmung vieler. Die Amerikanisierung ist uns in Europa nicht sonderlich aufgefallen. Aber auch unter uns beklagen manche den Verlust an Tradition. Es gibt indigene Völker, die freiwillig westliche Gepflogenheiten annahmen. Ihre herkömmlichen Bräuche liessen sie fallen wie heisse Kartoffeln. Muslime und andere konnten diesen Prozess weltweit beobachten. Sie selbst stellen sich dieser Entwicklung entgegen, seitdem die Sauds amerikanische Soldaten, also Ungläubige ins heilige Land riefen, aus Angst, die Sowjets könnten von Afghanistan her auf ihre Ölquellen zugreifen.

Wie auch immer diese Entwicklungen ablaufen, die weltweite Verflechtung von Kulturen zwingt uns eine andere Politik auf. Ihre Sorge lautet nicht, wie wir sicher sind vor jeglichen Einflüssen. Sondern:

Wie können wir dafür sorgen, dass andere sich vor uns sicher fühlen. Und dazu sind Karikaturen aus meiner Sicht ungeeignet.