Es gibt keine Ausnahme: Jede Kultur verurteilt Selbstbezogenheit und befürwortet Rücksicht auf andere. Egoismus und Altruismus bilden einen Widerspruch, der vielen zu schaffen macht. Sie fühlen sich in eine schlechte Welt hineingeboren. Das muss nicht sein. Widersprüche lassen sich entkräften, indem man sie in Zusammenhänge stellt, die über unseren Alltag hinausgehen.
Egoismus gilt für natürlich, demnach für unschuldig, sofern es um Lebensformen abzüglich des Menschen geht. Beispiele für diese Unschuld sind zuhauf greifbar: Etwa der neue Partner einer Löwin, der die Brut seines Vorgängers zu Tode beisst. Oder ein Ameisenstaat fällt über ein fremdes Volk her, wenn sich ihre Wege kreuzen. Uns Menschen unterstellen wir hingegen Vorsätzlichkeit und damit Schuld im Tun und Lassen, auch wenn die Gerichtspsychiatrie für diesen Grundsatz nur ein Lächeln übrighat. Je freier, je planvoller jemand seine Selbstbezogenheit verwirklicht, desto eher zieht er Ächtung auf sich.
Umgekehrt halten wir es für eine besonders menschliche Leistung, wenn wir uns in unseren Nächsten wiedererkennen und so ihr Leiden ernst nehmen, ohne es zu fühlen. Diese Sichtweisen für Altruismus und gegen Selbstbezogenheit teile ich, wenn ich alltäglich eingebunden bin. Wie könnte ich anders bei dieser kulturübergreifenden Einigkeit. Gewisse Leute sehen ohnehin nur Egoismus verwirklicht. Nächstenfürsorge bedeutet für sie weiter nichts als ein aufgeschobener Eigennutz, der dann belohnt wird, wenn sich die Person bei mir erkenntlich zeigt, die aus meiner Fürsorge Nutzen zog. Befrage ich jedoch das Leben für sich genommen, sozusagen als Summe aller Alltäglichkeit, etwa wenn ich unter Pappeln am Rhein sitze, wo das Wasser vorbeizieht, halte ich diese Sichtweisen für zu eng. Sämtliche Vorkommnisse unter Menschen, egoistische wie altruistische, mögen der Verantwortlichkeit Einzelner geschuldet sein.
Genauso sind sie Ereignisse des Lebens selbst.
Wenn man also das Leben als solches in den Blick nimmt, bietet sich in Sachen Egoismus die allseits bekannte Evolutionstheorie an, wonach die stärkere Lebensform sich durchsetzt. Das blinde Zusammenspiel von Umwelt und vererbter Körperlichkeit führt zu dieser Auslese. Das egoistische Gen ist sprichwörtlich geworden. Richtig darwinistisch gesprochen wäre es eigentlich das geschicktere Leben, nicht das stärkere, das sich seinen Fortbestand zum Nachteil anderer sichert. Der egoistische Gesichtspunkt bleibt dabei jedoch gewährleistet. Im Gegensatz dazu, wenn auch weniger bekannt, steht eine Theorie des Lebens, die das Prinzip des Altruismus überall verwirklicht sieht. Es geht um Zusammenarbeit, nicht um Auslese. So ist dann auch umgekehrt von einem kooperativen Gen die Rede. b nInteressant, dass beide Theorien das gleiche Leben meinen. Einmal blinde Auslese, ein anderes Mal Kooperation.
Wichtig aber ist, dass beide Theorien das menschliche Leben nur nach Graden von der übrigen Natur gesondert sehen. Demnach verbleiben wir im natürlichen Gesamtverbund. Dies anzunehmen dürfte manchen schwerfallen. Sie wollen Böses von einem Bereich her begründet sehen, der ausserhalb davon liegt. Das wäre eine Neuauflage der religiösen Überzeugung, wonach das Satanische als von der Schöpfung abgesondert erachtet wird.
Diese Sichtweise halte ich für naiv. Oder sie ergibt sich aus einem tiefen Leid an der Welt, das für sich genommen gewiss Anerkennung verdient.
Dennoch: Wer die Einheit von allem im Auge hat, muss Böses mitinbegriffen sehen.
Der schlechte Egoismus steht einem guten Altruismus gegenüber. Das mag, wie gesagt, im alltäglichen Sinn einleuchten. Mit Blick auf das Leben überhaupt sollte jedoch auffallen, dass es von beidem Nutzen zieht.
Vom Egoisten genauso wie vom den Altruisten.
In diesem Zusammenhang beleucht fällt dieser unsägliche Widerspruch einfach weg. Auch wenn der eine sich nur um sich selbst kümmert, der andere jedoch um seine Nächsten, so sorgen beide unweigerlich für das Leben selbst. Als würde das Leben zu uns sagen: Ob ihr egoistisch vorgeht oder Nächstenfürsorge übt, spielt keine Rolle. Besser aber für mich, wenn ihr es tut. Das Leben wäre demnach selbst egoistisch? Wohl kaum. Beide Kräfte, oder wie man es nennen möchte, sind ökonomisch zu verstehen.
Altruismus wie Egoismus sind beides ökonomische Effizienzen des Lebens.
Seinsweisen klänge als Bezeichnung zu allgemein. Gerne rede ich von Gangarten des Lebens, da es sich entwickelt und deshalb ständig in Veränderung begriffen ist. Eine Tatsache, die uns zu schaffen macht. Aus schmerzlicher Verwicklung träumen wir deshalb von einer Welt, die vom Egoismus gesäubert ist. Das Leben sieht das eben anders: Wenn ein Altruist jemandem beisteht, der in Todesgefahr schwebt, und dabei selber umkommt, hat es nichts von seinem mustergültigen Verhalten. Dieses Beispiel ist dümmlich, etwas zu handlich, aber mir fällt kein besseres ein.
Offensichtlich hält das Leben an beiden Gangarten fest, streut sie weiterhin unter seine Lebensformen, insbesondere unter uns Menschen, damit es sich für alle erdenklichen Situationen bereithält.
Je nach Fall sind eben beide für das Leben nützlich, Altruismus wie Egoismus.
Diese simple Tatsache sollte man besonders dann erwägen, wenn man wieder einmal die Selbstsüchtigen zum Teufel wünscht und Nächstenfürsorge so hoch lobt.
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