Korruption ist ein heftiger Vorwurf. Was die Krise anbetrifft, so erschallt er häufiger als sonst. Und wie üblich mit viel Empörung aus voller Brust. Kreuzigt sie! An die Wand mit ihnen. Ohne Verfahren, ohne Debatte. Die Sache liegt auf der Hand. Meint man. Ich bin hingegen für jede Debatte, denn Korruption kann man auch anders lesen. Verträglicher für ein Leben unter Menschen.

Die Krise und ihre Ursachen, die Unterlassungen, die möglichen Verschwörungen, die Politik und die Wissenschaftler als ihre Zuträger. Nichts geht ohne Bestechung. Ein Vorzeigebeispiel sind Milliardenspenden an die Weltgesundheitsorganisation, mit der Forderung nach exekutiver Mitbestimmung. Ein anderes das Ruhigstellen von Ärzten, die sich weigern, Corona als Todesursache zu melden, wenn ein Patient nachweislich an einer sonstigen Todesursache verstorben ist. Auch Befürworter schlimmster Verschwörungsannahmen gelten für bestechlich, da ihre Verletztheit, die sie sich in einer Hochleistungsversorgungsgesellschaft zuzogen, leicht für solche marktschreierischen Ansichten zu ködern ist. Sollte diese weltweite Bestechlichkeit zutreffen, wäre jede Empörung sogar Pflicht.

Aber wie lebt man zusammen mit korrupten Menschen?

Auf dem gleichen Planeten.

Ich vermute, das Urteil der Bestechlichkeit sitzt bei jenen Leuten besonders locker, die noch nie in eine solche Situation geraten sind. Sei es nun als Initiant dieser verrufenen Art der Problemlösung oder als Nutzniesser. Und die einzige Erklärung für Korruption, die sie vorbringen, ertönt seit je landauf landab.

Nämlich pure Gier! Das ist mir zu einfach.

Diese Vereinfachung erzählt mehr von der Person, die so urteilt, als über den Adressaten, den sie meint. Immerhin gerät so das Ökonomische an Korruption aus dem Blick: Ein hoher Ertrag wird für einen geringen Aufwand kassiert. Zum Beispiel wenn der unerwünschte Zeuge eines Kapitalverbrechens einfach nur schweigen soll. Oder ein Minister verkündet eine bestimmte Meinung gegen den Strich, da hinter den Kulissen Verträge laufen, die ihn bevorteilen und von denen die Öffentlichkeit nichts weiss. Ich habe schlicht keine Ahnung, wie ich mich verhalten würde, sollte ich ein paar Hunderttausend dafür angeboten bekommen, dass ich mich öffentlich einfach nicht mehr äussere.  Diese Gründe mögen verständlich sein, verwerflich sind sie allemal.

Ganz anders sieht es aus, wenn die Summe zur Bestechung auf einen Schlag sämtliche Probleme einer Person oder einer Organisation löst, die sie angeboten bekommt. Das hat mit Gier rein gar nichts zu tun. Die Gründe lassen sich spielend ausdenken: Schulden. Privatkonkurs. Ein stark behindertes Familienmitglied. Eine Altenpflege, die ganze Erbschaften aufbraucht. Ausserordentliche Unkosten. Strafzahlungen infolge Haftpflicht. Weniger verständlich, aber nicht minder wirksam: Der Status innerhalb einer Verwandtschaft mit Einfluss und Vermögen. Man weiss, wer mehr besitzt, steht mehr Verlustängste aus. So paradox das klingen mag.

Was korrupt macht, ist nicht Gier, sondern Angst.

Genau das, was im Herzen jeder Macht pulsiert.

Wer Bestechlichkeit anklagt, muss aufzeigen, wie man unter genannten Umständen ein Angebot dieser Tragweite ausschlägt. Wie macht man das?

Indem man ein Heiliger ist.

So einfach wäre das.