Seit Corona bejubeln viele eine Zeitenwende, die überfällig sei. Wie begegne ich ihnen? Wenn nicht einfach auf zwei Meter. Dabei scheint festzustehen, dass das Neue gut ist und das Alte schlecht. Bei aller Begeisterung mag diese Wertung verständlich sein. Wenn man allerdings kosmisch denkt oder planetarisch, ist sie schlicht unzulässig.
Die Gewissheit, dass Neues nun durchgesetzt wird, stützt sich auf astrologische Tabellen. Wassermann löst Fisch ab. Das Weltenjahr bezeichnet die Zeitspanne, in der die Erdachse wie ein Kreisel in seiner Drehung von einer Seite zur anderen kippt. Platon schrieb darüber. Dieses Kippen umfasst zwölf Weltmonate, die rückläufig durch die Häuser der Sternzeichen wandern. Ein Monat dauert somit zwei Jahrtausende. Die Schlachtung des Nazareners als Lamm Gottes auf dem Platz des Schädels bezeichnet das Ende der Widderzeit. Fisch wird tonangebend und damit die Verinnerlichung. Erst Mystik und Marienkult, allgemein die Entdeckung einer tiefen Seelenwelt. Anschliessend folgt, wie in einer Verkehrung, das Bestreben nach Aufklärung von Mensch und Umwelt. Der Mensch wird sich selbst zum Experimentierfeld.
Nun also die allmähliche Wende zu Wasserman, die vergleichbar sei mit dem Wechsel zur Sesshaftigkeit. Die Mystik geht verloren, der Sinn für Heiliges schwindet. Aber die Engel kehren zurück. Das bedeutet, positiv gewendet, dass man geistige Abenteuer eingeht. Die Ehe wird zu einer Rarität. Die Aufgabe der Kunst verringert sich auf das Dekorative. Leidenschaften befremden. Paradoxintuitives Denken wirkt zündend und gestaltend. Verborgenes gerät an die Öffentlichkeit. Die Menschen verlieren ihr Bedürfnis nach Erlösung. Heimatlichkeit büsst ihre Bedeutung ein, für die früher Blut geflossen ist. Überhaupt lösen sich die Fesseln des Traditionellen. Stattdessen verwurzeln wir uns im Gesamtprozess der Weltbildung. Die Gemeinwesen wechseln rasch ihre Bindungen. Hierarchien verflachen. Die Masken der Psyche fallen. Der wahre Mensch, der zutage tritt, ist aber nicht unbedingt schön. In einem Elementargeisterbuch heisst es, die Menschen seien früher wie Wälder gewesen, ohne Glanz in den Augen. Nun lebten sie wie einzelne Bäume, und das sei richtig so.
Wassermann gefällt mir. Diese Begeisterung teile ich mit vielen. Andere jedoch bedauern diesen Wandel. Das sind persönliche Einstellungen, die für das Leben womöglich zweckmässig sind. Einem Gesamtblick auf die Weltentwicklung, was immer an Wissen dazu greifbar ist, jedoch stehen sie im Weg. Bedauern genauso wie Begeisterung. Beides taugt nicht dafür.
Denn Innerlichkeit, Leidenschaft, Tradition, Wissenschaftlichkeit, Individualisierung, geistige Abenteuer, Mystik, Treue auf Lebenszeit oder Lebensabschnittspartnerschaft, ein Unwort des Tages, Ökonomie und Ökologie, was auch immer es gibt an Kultur, es ist gleichwertig.
Es wechselt sich nur ab.
Und taucht immer wieder auf.
Wir durchlaufen Schwerpunkte, da wir nicht alles zugleich sein können. Oder zeig mir, wie du gleichzeitig nüchtern und leidenschaftlich sein kannst. Aber alle, die sich an der Wendezeit erfreuen, sind weiter nichts als gebrannte Kinder des Vergangenen. Das halte ich mir vor Augen, wenn ich ihnen begegne.
Etwas verletzt die Menschen, indem es überhandnimmt. Wer zum Beispiel das Individuelle über alles stellt, hat zu viel an Einmischung erlitten zugunsten von Tradition und Bürgerlichkeit.
Solche Verwundungen sind in Generationen breit gestreut.
Vielleicht muss man auch sie als Wettleuchten einer Wendezeit begreifen.
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