Gut ist, was Leben verbindet. Das ist eine politische wie moralische Frage. So gesehen eine nützliche Formel. Das Mittel, eine Verbindung herzustellen, lautet Verstehen durch Einsicht. Hier eine Fingerübung am Beispiel des Hausschweins.

Blonde Wimpern. Das missfällt in nordatlantischen Breitengraden. Abgesehen davon spiegelt das Tier uns Menschen zu deutlich: Seiner hellen Borsten wegen erscheint es nackt wie wir. Überdies ein Allesfresser, der bei bestimmten Kulturen verschont bleibt. Dort isst man nur vegetarische Tiere. Bei uns nicht anders. Abgesehen vom Schwein. Früher zehrte es auch von menschlichen Leichen, die herumlagen, sodass derjenige, der Schweinefleisch ass, mittelbar zum Kannibalen wurde.

Wie längst bekannt suhlt sich das Schwein ein, damit es sauber wird. Freilandhaltungen zeigen, wie ordentlich sie sich einrichten. Das Tier soll die Intelligenz eines Hundes haben, sogar die von Menschenaffen. Mästereien sind daher schwer erträglich. Sie stehen zunächst für Jahrhunderte des Hungers und der Zunahme an Bevölkerung. Noch im 19. Jahrhundert, als die Kartoffelfäule durch ganz Europa zog, schlugen Menschen aus Hunger einander tot.

Das Schwein zählt zu Opfern der Hochleistungsversorgung. Menschen auch. Gewisse zumindest. Unweit von meinem Arbeitsplatz, auf dem Hörnliberg gelegen, komme ich fast täglich an einer Freihaltung vorbei. Ich schaue den Tieren zu, und ich lausche ihrem Treiben. Regelmässig fallen die Deckel auf die Futtertröge, wenn sie ihre mampfenden Schnauzen herausziehen. Je länger ich meine Aufmerksamkeit darauf richte , desto eher erscheint mir alles, was die Tiere tun, völlig klar und rein in natürlicher Zweckmässigkeit. Auch wenn sie rülpsen und grunzen, spucken und in Stössen niessen, sodass es Gerstenbrei zerstiebt.

Das Hausschwein leidet ähnliche Probleme wie wir etwa in Sachen Kreislauf. Daher wird es zu Versuchszwecken genutzt. Das filmische Material dazu ist zum Glück nicht beliebig greifbar. Zur Zeit des Kalten Krieg wurde einem lebenden Schwein, das auf einer Bahre gegurtet lag, die gesamte Seite mit einem Bunsenbrenner bearbeitet. Die Aufnahme verlief ohne Ton. Anschliessend wurde das Tier gefüttert. Darin lag der eigentliche Zweck des Versuches. Es galt, das Ernährungsverhalten von Menschen zu ermitteln, die im Einzugsgebiet eines atomaren Ground Zero zu überleben versuchen.

Ganz in der Nähe der Freihaltung brannte vor Monaten ein ganzer Schweinestall nieder. Mitten in der Nacht. Die Hundertschaft an Tieren konnte kaum gerettet werden. Spontan möchte man die Feuerwehr zur Rechenschaft ziehen, sie hätte besser arbeiten sollen. Eine gefühlsbedingter Schnellschuss wie so oft. Denn überraschend bekomme eine Erklärung zugesteckt, die mich heute noch rührt, wenn ich mir die Situation vor Augen führe:

Schweine rennen ins Helle, wenn sie fliehen. Ins Licht.

Sprich ins Feuer.

An Rettung ist da kaum zu denken. Auch wir Menschen suchen das Licht. Immer wieder. Es heisst, wir gingen ins Licht, wenn wir sterben.

Das Hausschwein sieht das Licht wie wir. Mit blondbewimperten Augen.

Dann besteht streng genommen eine Verbindung zwischen uns mit allen Lebensformen, die auf Licht reagieren.

Um so besser.