Esoterik hat in der Krise Hochkonjunktur. Eine Zeitenwende ist im Gange. Wie so oft. Und schon wieder sind wir mit dabei. Überall wirken Verschwörungen, die nun ans Licht kommen, und Anderes mehr. Wie begegne ich Personen, die solche Ansichten vertreten? Wenn nicht einfach auf zwei Metern Abstand?
Alles wende sich zum Guten, heisst es. Im Kosmos unterliegen dunkle Mächte den Lichtkräften, die von den Plejaden stammen. Gerade jetzt! Auf der Erde soll es zu breit angelegten Verhaftungen prominenter Übeltäter kommen, die eigentlich Satanisten sind und in Ritualen Kindsmorde begehen. Pädophilenringe fliegen auf, Kinder steigen aus Käfigen. Ohne es zu benennen, wird damit auf die amerikanischen Demokraten und ihre globale Verfilzung angespielt. Gandalf Trump tritt an gegen Sauron Tiefenstaat, der das Gute immer blockierte. Nun wird der mit Stumpf und Stiel ausgewurzelt.
Die Gewissheit, die bei solchen Vorhersagen mit viel Wohlwollen ausgestrahlt wird, ist schon bemerkenswert. Wie gehe ich damit um, der ich an nichts Übersinnlichem angezapft bin? Diesen Leuten am liebsten das Maul verbieten, widerstrebt mir.
Das liegt daran, dass ich vor vielen Jahren, als ich einmal krank war vor Eifersucht, die Dienstleistung eines Mediums namens Chantal angenommen habe. Die ältere Dame verlangte etwas mehr als ein Hunderter, allerdings unabhängig davon, wie lange die Sitzung dauern würde. Das überzeugte mich. Eine Freundin von mir wurde schon mit Nachdruck aus der Rückführung geholt, bloss weil die Zeit abgelaufen war. Das Ergebnis taugte auch nicht viel. Sie sei Louis XIV gewesen. Wie hilfreich zu wissen! Auch soll sie als Gladiator in Rom im Kampf gestorben sein. Warum nicht als Bauer auf den Feldern vor Ostia, der aus purer Altersschwäche seine Augen schliesst?
Das Ergebnis meiner Rückführung hingegen beeindruckt mich noch heute:
Meine Eifersucht hatte mit einem arabischen Erbe zu tun, als mir weibliche Willfährigkeit nach Belieben zur Verfügung gestanden hätte. Das fand ich zunächst wenig hilfreich. Genau in dieser Zeit jedoch besuchten uns ein paar Algerier in unserer Wohngemeinschaft. Sie kochten, machten Musik, rauchten Haschisch, was sie so klar machte in Gedanke und Wortwahl. Dies im Gegensatz zu Schweizern, die dazu auch Bier kippen und Schnäpse, bis sie drauflos lallen. Die Algerier, Samir zum Beispiel und Karim, sie kamen und sie gingen. Und als wir arabische Worte nachsprachen und sie unsere Namen auf Arabisch schrieben und uns schenkten, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Diese Algerier waren vorher nie da gewesen und sie würden irgendwann aus keinem besonderen Grund nicht mehr kommen. Genau in der Zeit meiner Rückführung verbreiteten sie eine arabische Stimmung in unseren Räumen. Und wenige Jahre später würde ich erfahren, dass in unserem Stammbaum um 1870 ein namenloser Araber sich eingezeugt hat. Deswegen gibt es einen mehrfachen Urgrossvater Ali mit seiner Tochter Lydia, zu deren Linie ich gehöre.
Meine Füsse, so meinte Chantal, die mich durch eine über mich gebreitete Decke abtastete, seien energetisch wie Krallen. Zu Hause kramte ich Zeichnungen aus meiner Pubertät hervor. Immer wieder hatte ich Männer im Frack gezeichnet, die statt Füssen Krallen hatten.
Im Verlauf der Rückführung kam mir ein Ferienbub in den Sinn, der etwas pummelig war und jünger als ich. Sobald sich die Gelegenheit bot, quälte ich ihn. Ich sperrte ihn ein, kniff ihm ins Gesicht, warf ihn auf den Rasen. Das völlig Verkehrte dabei war, dass ich ihm zwischen meinen Attacken immer wieder Trost spendete. Das Medium erklärte, meine Eltern hätten sich mehr um den Buben gekümmert als je um mich. Aus Unsicherheit, ob sie es richtig machten. Genau in der Art, wie man Pflegekinder strenger behandelt, da sie fremd sind. Diese Ungerechtigkeit hätte ich schlecht ertragen können. In einem Text, den ich später beiläufig über diese Episode verfasst hatte, fand ich einen Beleg für diese Erklärung meines abartigen Verhaltens von damals: Darin stand, von meiner Hand geschrieben, der Junge habe seine Ferien «bei meinen Eltern» verbracht. Also nicht «bei uns».
Eine traumatische Erfahrung aus meinem vierten Lebensjahr tauchte bei der Rückführung eher spät auf. Damals wurde ich ein erstes Mal am Auge operiert, wofür ich für eine Woche in ein Kinderspital gegeben wurde. Aus Gründen, die sich auseinanderlegen liessen, war ich der Überzeugung, meine Eltern hätten mich für immer dort abgegeben. Das Medium schilderte, ich sei in dem Moment verzweifelt, als sie mir die Maske mit dem Lachgas zur Narkose aufsetzten. Und sie legte sanft ihre Hände auf mein Gesicht, damit ich die Maske besser spürte. Später nahm ich Recherchen auf, und ich fand heraus, dass man um 1973 Kinder tatsächlich mit Lachgas narkotisierte.
Wie also gehe ich mit diesen esoterischen Vorhersagen um? Einfach ignorieren mag ich sie eben so wenig, wie ich sie persönlich ernst nehmen möchte. Was ich mir zurechtlege, empfiehlt sich nur bedingt als Ratschlag: Sollten irgendwelche Verschwörungen sich durchsetzen, ohne unser Zutun und Wissen, sollten wir nach der Krise, von der es heisst, wir könnten nur schrittweise wieder daraus finden, mehr Staat haben als zuvor, also mehr Zentralisierung, am Ende vielleicht bis zur Gleichschaltung wie zur Zeit des Notrechts, dann wird auch dieser Zustand nicht endlos dauern.
Nichts bleibt für immer. Eine Binsenwahrheit erweist sich auf einmal als hilfreich. Gerade gesellschaftliche Ordnungen sind flüchtig wie Schaum. Das zeigt die Geschichte zur Genüge.
Was immer sich durchsetzt, ob Zentralisierung bestimmter Gemeinwesen oder ihre Föderalisierung, hat das Leben dann genau so zugelassen. Mit welchen Mitteln ist zweitrangig. Wir dienen eher dem Leben, als dass wir es beherrschen.
Und es lässt etwas solange zu, bis Anderes nötig wird. Dann wird es abgelöst.
Das ist ein Glaube, kein Wissen. Sicher aber keine Botschaft aus einem jenseitigen Irgendwo.
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