Man hat festgestellt, dass in Zeiten von Corona die Programme der wichtigsten Parteien zeitgleich erfüllt sind. Eigentlich ein Wunder. Was als Belustigung im Netz kursiert, gibt mir gehörig zu denken.
Die Sozialdemokraten begrüssen die gigantische Umverteilung von Staatsgeldern bei gleichzeitiger Aufhebung der Schuldenbremse. Die Volksparteien atmen auf bei geschlossenen Landesgrenzen. Die Grünen sehen eine ganze Natur sich erholen. Die christdemokratische Mitte freut sich an der Aufwertung des Familienlebens. Sogar die Anliegen der Kirchen sind umfassend erfüllt, schliesslich haben wir gerade Fastenzeit.
Nur der Freisinn sieht sich zum Schweigen gebracht. Freiwilligkeit eignet sich eben schlecht zur Bekämpfung einer weltweiten Seuche, die einige Menschen vereinsamt ersticken lässt.
Die zahlenmässig wenigen Opfer bedeuten moralisch gesehen alle Menschen.
Parteiprogramme kommen heutzutage eher sonntäglich daher. Das spricht nicht gegen sie. Will heissen sie sind wenig dramatisiert, wenn man von Ausnahmefällen absieht. Statt des Aufrufs, die Grenzen dicht zu machen, ist zum Beispiel von einer zweckmässigen Beschränkung der Freizügigkeit die Rede. Das Anliegen bleibt jedoch das Gleiche. Auf einen Nenner gebracht wäre das in diesem Fall so etwas wie Schutz des Volkskörpers Schweiz.
In der Krise nun sind die Anliegen der Parteien sogar in ihrer drastischsten Form verwirklicht worden. Demnach wurzeln sie tiefer, als ihr sonntäglich verfasstes Postulat es anzeigt. Wie von selbst werde ich dadurch an die Möglichkeit verwiesen, es könnte hier wie bei Einzelpersonen etwas Unbewusstes im Spiel sein, das in der Krise zutage tritt. Immerhin nimmt sich die psychoanalytische Forschung auch Institutionen an. Wie Unternehmen oder sonstige Organisationen. Da geht es zum Beispiel um Heldentum im Management, um Gefühle von Minderwertigkeit oder Überlegenheit auf Teppichetagen. Wenn sich also sogar Gruppen ein Unbewusstes unterstellen lässt, zumindest in der Perspektive dieser Forschung, warum dann nicht auch politischen Parteien?
Die Krise zeigt, dass die Anliegen von Links bis Rechts im schlimmstmöglichen Fall wurzeln. Das ist genauso rational, wie es paranoid erscheint. Dieser schlimmstmögliche Fall, der unbewusst bleibt, je länger er zurückliegt, wird von den Parteien sogar geteilt. Die gegenwärtige Krise kommt dem sehr nahe. Abgesehen von der sozialen Distanzierung, die wir derzeit befolgen, sowie der Stilllegung der Wirtschaft handelt es sich dabei um die Hölle auf Erden.
Um Krieg.
Jedes politische Programm wurzelt im Kriegszustand. Der Freisinn und vor allem sein Neuauftritt im vergangenen Jahrhundert, der so genannte Ultra- oder Neoliberalismus scheinen sich von diesem gemeinsamen Erbe lösen zu wollen. Angesichts der Krise gewinnt man den Eindruck, dass rechtsliberale Politprogramme nur dann greifen, wenn die allgemeine Wohlfahrt im Ansatz schon verwirklicht ist.
Die ist nun gehörig in Frage gestellt. Der Freisinn wird sich gedulden müssen.
Wie wir alle.
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