Bauhaus ist so selbstverständlich geworden, dass wir kein Auge mehr haben für den Umschlag, den es in die Geschichte schlug.

In einem solchen Bauwerk bin ich aufgewachsen. Nur rechte Winkel, auch die Möbel. Die Dächer flach. Seine Architektur machte zudem Anleihen bei einem Frank Lloyd Wright, indem sich das Haus der leicht abschüssigen Landschaft anschmiegte. Eine Mischung also. Wie so Vieles im Leben. Das Haus steht nicht mehr.

Der Schock, den Bauhaus wohl auslöste, mag dem Trauma eines 1. Weltkriegs kaum vergleichbar sein. Aber er hat damit zu tun. Da wir kein Auge mehr haben für Bauhaus als drastischer Umschlag, vergleiche man das Logo dieser Bewegung aus dem Jahr 1922 mit dem Wappen der Donaumonarchie, die eben erst von der Landkarte gelöscht worden war. So lässt sich die Dramatik dieses Umschlags mit Händen greifen: Eine neobarocke Überfülle von Kronen, Adlern, Engeln und kleinformatigen, bunten Flaggen mit Kordeln, Szeptern und Krönchen schlägt um in eine kalte Leere von Schwarz-Weiss und rechtwinkligen Linien, die als ein Gesichtsprofil in einen schlichten Kreis gefügt sind. Man bedenke, dazwischen liegen bloss vier Jahre. Der Schritt wirkt derart radikal, dass man meinen könnte, die Bewegung befreie sich von einer ganzen Vergangenheit.

Das tut sie zweifellos. Aber mit Freiheit hat das wenig zu tun. Denn streng genommen wird genau das Gegenteil von dem verwirklicht, was als falsch erkannt und erlitten wurde. So gesehen bliebt sie daran hängen. Das Bestehende, Negative gibt Richtschnur dem Neuen, indem lediglich das Vorzeichen umgestellt wird. Aus Plus wird Minus und umgekehrt. Nun werden ausgerechnet jene Möglichkeiten zu Tatsachen, die bis anhin brach lagen oder verdammt waren.

Dieser Umschlag greift daher noch tiefer. Seiner Schroffheit lässt sich die Tiefe der Kerbe ablesen, die der Krieg in die Herzen schlug. Die adeligen Herrscher, die den grossen Krieg verantworten, indem sie die Rüstung ankurbeln und sich gegenseitig immer wieder mit Krieg bedrohen, sind allesamt Christen. Und sie sind Förderer klassischer Künste. All dies fällt ebenso dem Ausgleich zum Opfer, denn diese menschliche Katastrophe darf sich um keinen Preis wiederholen. Also wird sicherheitshalber alles verworfen, was auch nur im Geringsten damit zusammenhängt. Gläubige Hörigkeit verkehrt sich zu wissenschaftlichem Atheismus, Gedichte in Versmassen zu dadaistischem Geplapper. Die gesamte Klassik wird gespült, der Jugendstil gleich mit, und alles, was mit der Vorsilbe Neo- daherkam. Selbst Wagner, ein Liebling der kaiserlichen Heerführer, jedoch als früher Hippie verkannt, geht mit unter. Tonalität unterliegt der Atonalität, die Fieberträume der Halbtoten in den Lazaretten zu Verdun gehen ein in das Manifest zum Surrealismus, von Soldat Breton säuberlich aufgezeichnet.

Bauhaus gehört bekanntlich mit zur Geburtsstunde moderner Kunst. Sie bezeichnet insgesamt diesen Ausgleich. Was den Einen Triumph und Freiheit beschert, erleben Andere als Niedergang und Auflösung.

Das Leben jedoch, so scheint mir, befürwortet diesen Wechsel der Vorzeichen, diese Umschläge, lässt sie geschehen, wenn sie nötig sind.

Ob sie nun ein gesellschaftliches Programm etwas ausgleichen, seine Schwerpunkte antippen, damit sie sich verschieben, oder ob dabei alles umgepflügt wird, dürfte für das Leben nicht weiter von Belang sein.

Nur wir heulen und trauern, oder brüllen und jubeln und verkennen, wir sehr wir solche Umschläge weder planen, noch verhindern können.