Machnmal wünscht man sich Verhältnisse zurück, die für überholt gelten. In Ehe und Familie waren die Rollen festgelegt. Nun wird alles ausdebattiert. Bis die Köpfe rauchen. Bis die Herzen müde sind. Nostalgie hilft wenig. Man muss den Vorteil dieser Debattiererei in Betracht ziehen.

Als Mann und Ziehvater hänge ich Wäsche auf und koche. Immer öfter werde ich am Einschlafritual beteiligt. Das gefällt mir. Dennoch soll ich Herr der Planung sein. Auch besteht öfter der Anspruch, ich müsse die Finanzen im Griff haben. Leider bin ich weder Kaufmann, noch Buchhalter, noch Häuschenbauer. Ich weigere mich, es zu sein, da solche Leute für meine Person damals, als ich heranwuchs, nur Argwohn übrighatten.

Wie könnte ich ohne Weiteres so sein, wie die, die mir als Person misstrauten?

Aber Planung und Verwaltung einfach Moongirl überlassen, geht auch nicht. Wir teilen die Rollen. Also wird öfter debattiert. Selbst erzieherische Massnahmen verschreiben wir nie absolut. Das können wir nicht. Was zur Folge hat, dass die beiden Kinder in die Debatten einsteigen und sie, mitunter gegen unsern Willen, auch anregen. Sie stellen Regeln an sich in Frage oder schwächen ihre Gültigkeit ab in Hinblick auf gewisse Umstände.

Der Neid auf Nachbarn gleichen Alters, die nach herkömmlichem Muster leben, kommt immer wieder auf. Sie debattieren nicht. Ein Glück für alle, möchte man meinen. Führe dir also eine Welt vor Augen, in der nicht debattiert wird. Der Vorteil, auf den ich abziele, lässt sich so rasch erahnen. Dazu folgende Begebenheit: Der geistliche Direktor des Lehrerseminars, in dem ich seinerzeit ausgebildet wurde, pochte nur auf eine Regel des Zusammenlebens, die überdies ungeschrieben war, nämlich dass alle um sieben Uhr am Frühstück zu erscheinen haben. Alles Weitere wurde jedes Jahr neu ausgehandelt. Die Klassen wechselten regelmässig Wohnbereich und Zimmergenossen. Das fand man oft mühselig. Regelmässig wurden Stimmen laut, die nach einer Hausordnung riefen, die unmissverständlich in Worte gefasst sowie in Paragrafen geordnet wäre, mit Unterpunkten versehen, die Ausnahmen regeln. Der Direktor zeigte sich nie erstaunt über solches Ansinnen, denn er ging davon aus, dass es regelmässig wiederkehrte.

Wenn die Verhältnisse nur noch verwaltet würden, betonte er immer wieder, dann werfe er Sand ins Getriebe.

Denn Automatismen dieser Art töten den Geist.

Debattieren heisst, geistig tätig sein, Argumente beibringen, Ansichten abwägen, widerlegen, bekräftigen. Die Müdigkeit ist von daher geschuldet, dass wir zu spontan, zu sehr aus einer zeitweiligen Trägheit heraus argumentieren, nur damit dieser bequeme Zustand erhalten bleibt. Wir müssen sogar bewusst debattieren, statt überholte Verhältnisse herbeizuwünschen. Aus dem Willen zur Debatte heraus. So retten wir uns davor, dass wir verkrusten, und verknöchern.

Dass der Geist einschläft.

Wie es früher in den meisten Ehen und Familien der Fall war.

Bis zur Versteinerung. Bis zur steineren Hochzeit.

Während Jahrhunderten waren in den Völkern Wahrheiten absolut gültig und freies Debattieren untersagt. Das garantierte womöglich ein geruhsames Leben, doch solche Völker liessen sich auch bequem in einen Krieg führen.

In zwei Weltkriege, um genau zu sein.