In Konstanz gab es über Jahre zur Schweizer Grenze hin eine Brache mit Schilf und Teichen und einer verruchten Gaststätte namens Seehas.

Das Ziegeldach wies eine markante Delle auf, sodass man befürchtete, der Giebel könnte jederzeit einsinken. Nur Stammgäste verkehrten dort. Alternative, Punks, Studenten. Man stand eng beisammen, wie typisch für Pubs, mit dem Bier in der einen Hand, die Zigarette, selbstgedreht aus dem Beutel mit parfümfreiem Indianertabak, in der anderen. Spätabends, wenn die Toiletten belegt waren, diente die Brache beiden Geschlechtern zum hochdringenden Auslauf, mit Gejohle und Hurra und lallenden Gesprächen, die um das immergleiche Thema kreisten und kein Ende fanden. Niemand störte sich an diesem Treiben.

Und es war keine Bosheit im Spiel, als diese Spelunke sozusagen über Nacht vom grössten Glück heimgesucht wurde, das einer Gaststätte je zu wünschen ist: Die Brache wich einem Einkaufszentrum, das heutige Lago. Innert Kürze sah sich der Seehas und seine elegschaft an den bestmöglichen Standort versetzt, der sich denken lässt, ohne dafür auch nur einen Finger zu krümmen: Jede Menge Laufkundschaft. Vor allem einkaufsfreudige Schweizer, besonders jene, die zu Fuss über die Hüttlinstrasse herüberkommen, dem so genannten Schweizer Einfüllstutzen von Konstanz. Eigentlich eine Plage vor Ort. Zur Laufkundschaft zählen ebenso durstige Kinder, eislüsterne Familien, Betagte mit Vermögen, die es nach geschäumtem Kaffee verlangt. Abends ein Drink nach dem Einkauf, dann ein Cocktail vor dem Kinobesuch.

In der Natur würde man sagen, die Selektion habe mächtig zugeschlagen. Die zweckmässige Anpassung gerät über Nacht zum Nachteil. Ich meine mich zu erinnern, die Belegschaft vom Seehas hätte zunächst die Herausforderung angenommen. Das Lokal wurde vielleicht herausgepützelt, die Karte aufgestockt. Bis heute ist es zwar ein Pub geblieben, in Anlehnung an einen irischen Pferdestall, allerdings mit dem Schwerpunkt auf Burger aller Art. Ein Verkaufsschlager an dieser Meile für Passanten im stündlichen An- und Abmarsch.

Nur die Stammkunden sind dieser Auslese zum Opfer gefallen, die eine Randzone kopfüber in ein Stück Boulevard verwandelt hat.

Immerhin die Delle im Dach ist geblieben.