Todesvertrauen. Wie soll das gehen, Vertrauen in den Tod? Das klingt übermenschlich. Gäbe es einen Weg dahin, hätte ihn die Menschheit längst gefunden. Nun gibt es aber Neues zum Tod, ermittelt durch Wissenschaft. Wenn man es zur Kenntnis nimmt, könnte sich so etwas wie ein Todesvertrauen zumindest abzeichnen.
Der Tod sitzt im Herzen jeder Angst. Ein mögliches Vertrauen in ihn könnte Ängste lindern. Damit entspannten sich auch arge Probleme unter Menschen. Mathis, ein Freund von mir, nun mittlerweile selbst verstorben, begleitete als Pfleger manche Person in den Tod. In abendlichen Runden erzählte er gelegentlich davon, jedoch behielt er bestimmte Arten des Sterbens für sich, die er miterlebt hatte. Darin war er nicht umzustimmen. Wir blieben auf unserer Neugier sitzen. Immerhin stellte er in Umrissen klar, worum es dabei ging: Nie hätte die Angst zu sterben damit zu tun gehabt, dass der Mensch ins Ungewisse schlechthin fiel. Der eigentliche Grund: Er liess Ungelöstes zurück. Reue, späte Einsicht. Und jede Gelegenheit zur Wiedergutmachung war längst vertan.
Todesangst hat demnach mit dem Leben zu tun. Es geht nicht unmittelbar um den Tod selbst.
Wer im Reinen Abschied nimmt, dem fällt das Ungewisse, das ihm bevorsteht, offensichtlich weniger schwer. Was mein Freund andeutete, macht auf neue Erkenntnisse aufmerksam, die den Tod anbetreffen. Aber was will man Neues vom alten Schnitter sagen? Das Neue am Tod ist darin zu sehen, dass sein Zusammenhang zum Leben nicht nur persönlich ist. Was man zurücklässt, was vertan ist oder nicht, hat damit nichts zu tun. Es gibt eine allgemeine Tatsache, die zu wissen hilfreich ist, wenn wir dem Ungewissen vertrauen sollen. Der alte Schnitter erschien uns seit je als Gegensatz zum Leben. Irgendwann erliegt es der Schneide seines Blattes. Dieses Sichtweise ist falsch.
Denn der Tod ist kein Gegensatz zum Leben, sondern eine seiner vielfältigen Einrichtungen.
So spricht die Forschung. Der Tod gehört dem Leben, nicht umgekehrt. Denn es gab Leben, bevor es den Tod gab.
Als alles mit allem in Austausch stand.
Wie immer man sich diese ursprüngliche Verfassung von Leben vorzustellen hat, man gelangt unweigerlich zum Schluss, dass es einen bestmöglichen Weg einschlug, indem es den Tod einrichtete, wohin der auch immer führen mag. Unser Vertrauen in den Tod hängt davon ab, ob wir dem Leben vertrauen. Was mich geboren hat, lässt mich sterben. Es ist die gleiche Instanz. Mehr noch, als vollständige Einzelform von Leben, mit Wachstum, Stoffwechsel und Fortpflanzung, habe ich Anteil an dieser Instanz. ‘Anteil haben’ jedoch verfehlt den Sachverhalt. Der Unterschied zwischen Haben und Sein gilt auch hier:
Ich bin Leben. Also bin ich, wie alle, die Instanz, sprich die Verfügungsgewalt, die Geburt und Tod als bestmöglichen Weg eingerichtet hat. Dabei steht fest, dass nichts eingerichtet wird, das dem Leben schaden könnte.
Das Leben sein, statt es haben, klingt ungewohnt. Genausowenig jedoch macht es Sinn, zu sagen, ich hätte ein Gehirn oder eine Leber. Denn seitdem klar ist, dass sämtliche Organe aus Stammzellen hevorgehen, bleibt eine Ganzheit erhalten, die keine Teile enthält. Es ist die Ganzheit, die ursprünglich keinen Tod kannte.
Die ihn dann erfand.
Dahin sinke ich also zurück. Irgendwann. Zurück dahin, als alles mit allem in Austausch stand.
Diese Herkunft in uns wird mir zum Zielpunkt meiner Sehnsucht.
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