Das Einfamilienhaus, in dem wir leben, bietet bestmögliche Sicherheit. Aber die Kinder ängstigen sich darin, wenn sie alleine sind.
Da gibt es eine Sicherheitstür, durchbruchhemmend, mit Wärmedämmung sowie Bandsicherung und Schallschutz nach aussen. Das Schloss ist mit Doppelschliesszylinder sowie Schnapper versehen, wodurch die Tür im Schliessblech gehalten wird, die Fenster mit Verbundglas bestückt. Die Rollläden sind aus Edelstahl gefertigt, was die höchste Widerstandsklasse erfüllt. Es gibt eine Terrassentür mit geprüfter Einbruchshemmung sowie mit rahmenabdeckender Regenschutzschiene. Die Lichtschächte zum Keller sind vergittert. Nicht zu vergessen die Alarmanlage und die Lichter in der Einfahrt, die über Sensoren aufleuchten, sobald sich etwas regt. An allem haften amtlich beglaubigte Garantien. Alles ist versichert.
Und rückversichert.
Die kindliche Angst wird schon deshalb verständlich, da so viel Sicherheit notwendig auf eine ganz böse Aussenwelt schliessen lässt.
Die Fachwelt, die hier sich laufend übertrifft, damit sie Mitbewerber aus dem Markt drängt, ist Kindern unbekannt. Natürlich spielt schäumende Fantasie bei ihren Ängsten wesentlich mit. Kinder schätzen die Verhältnisse nach Möglichkeiten ein und nicht nach Wahrscheinlichkeiten, die sich sinnvoll abwägen liessen. Genauso verhalten sich Paranoiker oder die Gesellschaft für sich genommen. Und für jede Sicherheit, egal wie geprüft und bewährt sie daherkommt, lässt sich eine Möglichkeit ersinnen, die sie austrickst.
Ein Geistlicher stellte die Frage, ob wir bei lückenloser Überwachung ein ruhiges Leben führten. Etwa so, wie man früher in den Städten ruhig schlief, wenn die Tore geschlossen waren und Wachen auf ihre Posten abbestellt. Jede Vorkehrung zur Sicherheit bedarf Vertrauen. Die totale Überwachung erforderte einen derartig technischen Aufwand, um lückenlos zu wirken, dass man andauernd mit der Sorge beschäftigt wäre, kleinste Fehler könnten die gesamte Sicherheit gefährden. Nur schon diese Sorge würde uns den Schlaf rauben.
Da fällt mir auf: Die Natur kennt keine Sicherheit.
Jedenfalls nicht in dieser Ausprägung. Sie gesteht ihren Lebensformen zwar eine gewisse Sicherheit zu, sei es in Form von Tarnung, Panzerung, Stacheln, Dornen und Anderem. Eine fortwährende Verbesserung von Mimikri und Sicherheitsverhalten jedoch ist offensichtlich nicht vorgesehen.
Die Natur lässt so die Möglichkeit intakt, dass Lebensformen geopfert werden, damit andere überleben.
Vielleicht liegt darin etwas, das optimal ist, ohne dass wir in der Lage wären, es zu erkennen.
Indem wir Menschen bestmögliche Sicherheit anstreben, scheren wir aus der Natur aus. Das meinen wir zumindest. Diese Eigenschaft erweist sich als besonderes Merkmal für menschliches Leben. Aber auch das Schnabeltier gehört mit zur Natur, auch wenn es als einzige Lebensform über eine elektrisch geladene Schnauze verfügt.
Das Sicherheitswesen Mensch weigert sich, dass es im natürlichen Kreislauf als Opfer für anderes Leben herhält.
Eigentlich ein instinkthaftes Verhalten, das natürlicherweise auf sich bezogen bleibt.
Eine Form von Blödheit somit. Ohne Sicht auf das Naturganze, in dessen Zyklen wir aufgehoben sind.
Wie alles Leben.
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