Eine junge Frau erzählt bei einer Party, sie wolle ins Militär. Das zieht lebhafte Gespräche nach sich. Während einige den Kopf schütteln, wird sie alsbald von zwei Typen flankiert, die ihr reizvolle Seiten des Militärs darlegen. Erfahrungen, Überlegungen, die wenig geläufig sind.

Von Ertüchtigung und Kameradschaft ist dabei nie die Rede. Der Eine, ein ehemaliger Korporal der Versorgung, stellt klar, dass die Kameradschaft endet, sobald man die Uniform ablegt. Ein Zweckbündnis auf Zeit bedeutet keine wirkliche Kameradschaft. Und was die körperliche Ertüchtigung anbetrifft, so meint der Füsilier ausser Dienst, also ich, auch Frauen könnten ohne Weiteres jede Anstrengung auf sich nehmen, die man ihm, also mir damals abforderte. Es waren ja immer nur kurzfristige Momente der Verausgabung, wie man sie nur in Friedenszeiten kennt. Daraufhin überstürzten sich die Beispiele, die es zusammenzufassen lohnt:

Zugschule, also Gleichschritt, mag von aussen Bedauern wecken, tatsächlich bereitet sie Vergnügen, da man weder Verantwortung hat, noch Fehler begeht, sobald man sich in den Takt einlässt, bis er dich schmerzfrei über Kilometer weit trägt, wie bei den Römern oder zu Napoleons Zeiten. Man glaubt, mit den anderen einen einzigen Körper zu bilden, eine störfreie Mechanik, in die man sich völlig einhängen kann, als wiege man sich in einer Hängematte. Durchaus eine Art Trance. Bei völliger Nüchternheit.

Beim Schiessen denkt niemand ans Töten, ans Treffen sehr wohl. Und wer die Jockeyscheiben auf der anderen Talseite für den Schuss etwas tiefer aufs Korn nimmt, bei dem spritzt sogar Erde auf, während der gelbe Hartplastik der Scheibe durch den Einschlag der Kugel versenkt wird, bis er sich per Funk wieder hebt. Eine ähnliche Freude der Fernwirkung ergibt sich, wenn man die äusserst seltene Gelegenheit hat, die scharfe Handgranate in ein Wasserloch oder eine grössere Pfütze zu werfen. Die Wasserfontäne schiesst derart hoch, dass schwere Tropfen auf dich herabplatschen.

In solchen Momenten kommt es zu witzigen Vorfällen. Einmal hatte der Füsilier, also ich, in Deckung zu bleiben, während der Kollege oder eben Kamerad auf Zeit eine Ladung Seriefeuer abliess, wie es die peinlich genau festgelegte Choreografie verlangte. Da prallten die heissen Hülsen ratternd an meinen Helm, sodass ich für mich allein in Gelächter ausbrach, denn der andere bekam nichts davon mit. Immer mehr fiel uns ein. Amüsante Kleinigkeiten, wie etwa die uniforme Flatulenz bei Truppen, die in der Verlegung über mehrere Tage ihr Essen von der gleichen Küche bezogen.

Überhaupt bildet die Armee die Gesellschaft in Reinform ab. Unverstellt, blank und roh. Wie das unverhüllte Gerüst eines Eiffelturms, wie das Getriebe eines Dampfers, das im Vollbetrieb für Touristen unter Glas ausgestellt wird. In der Armee bekommt man hautnah mit, wie der Druck unverhohlen verlagert wird. Meistens unter offener Androhung von Unannehmlichkeiten, wie Verlängerung der Übung in die Nacht hinein oder Kürzung des Ausgangs am Abend. Darüber wird kein Hehl gemacht, auch wird diese Mechanik von niemandem persönlich genommen. Das sind Abläufe, die in der Zivilgesellschaft eingekleidet daherkommen. Nur hinter verschlossenen Türen und unter Gleichgesinnten geniessen sie ihre volle Gültigkeit. Freilich wird auch hier Druck gemacht, der Vorgang aber bleibt mehrdeutig verborgen. Die unverhohlene Druckverlagerung wird weggelächelt, fortgedeutet, überspielt, missachtet, totgeschwiegen. Die im Zivilleben vielbeschworene Transparenz ist dort ein Hohn, in der Armee jedoch schlicht Tatsache, aber da redet niemand von ihr.

Das Mädchen geniesst unsere Geschichten sichtlich. Zum Missfallen ihrer Schwester schieint sie sich in ihrem Entschluss für die Armee bestärkt zu fühlen. Das erfährt mein Kollege, der Korporal, als er am Buffet seinen Pappteller nachfüllt. Die Schwester klärt ihn darüber auf, das Mädchen sei lange Zeit in psychiatrischer Behandlung gewesen. Ihr Problem liegt darin, dass sie nicht weiss, was mit sich anfangen. Stattdessen befolgt sie, was andere ihr sagen.

Mein Kollege, der Korporal, stutzt und grinst, dann sei sie in der Armee ja bestens aufgehoben.

In der Tat: Was man als bitteres Schicksal beklagt, bedeutet für Betroffene oft einfach nur eine Problemlösung.