Faknews sind vielen ein Grund zur Sorge. Die Fakten kommen uns abhanden. Aber die Menschheit besteht seit je trotz übelster Irrtümer.
Eine erste Beruhigung ist schon einmal greifbar: Fakenews fliegen auf. Sonst wäre von ihnen gar nicht die Rede. Aber vielleicht genügt das nicht. Damals, als es noch keine Wissenschaft gab, zu Zeiten des Präfaktischen also, sollen die Menschen mehr schlecht als recht mit ihren falschen Wahrheiten gelebt haben. Die Quellen überliefern das nicht zwingend. Und ein Blick auf uns selbst, wie wir eher recht als schlecht mit Fakten leben, legt ebenso nahe, dass wir wenig Grund haben, die Vergangenheit zu bedauern.
Dabei hören wir auf die Wissenschaft, auf das Faktische also. Sie sagt uns, was wahr ist und was nicht. Interessant ist, dass Wissenschaftler gar nicht von Wahrheit reden. Sie meinen, Wahrheit sei Juristen vorbehalten. Oder Pfaffen. Stattdessen erwägen Wissenschaftler mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit. Wir meinen, das Faktische, also die Befunde der Wissenschaft, möge die Dinge richten. Aber welche Wissenschaft darf es sein? Selbst Naturwissenschaft erneuert sich laufend selbst. Das beruht auf Falsifizierung. Eine Wahrheit bedeutet eine These, die solange zutrifft, bis sie widerlegt wird. Derzeit werden im Politbetrieb, im Pressewesen und an Hochschulen im Sekundentakt irgendwelche Studien beigezogen, die dies und das beweisen. Dabei bleibt die Möglichkeit ihrer Widerlegung einfach ausgeblendet. Wir mögen als Idioten dastehen, wenn eine scheinbare Wahrheit widerlegt wird, die uns am Herzen lag. Aber wir sind auch dann durchwegs Idioten der Möglichkeit nach, wenn wir uns auf Fakten berufen.
Denn was wir als Tatsache ins Feld führen, zerbröselt vielleicht unter künftiger Wissenschaft zu Fake.
Im Übrigen: Welche Wissenschaft darf es sein? An Hochschulen geht der Konstruktivismus um. Nach dieser Lehre gilt jede Wahrheit für erfunden. Fakenwes und Konstruktivismus vertragen sich also bestens. Wozu die ganze Aufregung? Auch republikanische Politiker wie Reagan liessen sich vom Konstruktivismus begeistern. Im Wahlkampf versprach er, dafür zu sorgen, dass in Schulkantinen mehr Gemüse aufgetischt wird. Als Regierungschef an sein Versprechen erinnert soll er auf die pünktliche Lieferung von Ketchup verwiesen haben. Ketchup als Gemüse. Wieviel Wahrheit, wieviel Fake steckt darin? Leibhaftiger Konstruktivismus ist es allemal. Der Konstruktivismus ist Studentenfutter aus den Achtzigern, das von heutigen Dozenten täglich wiederkäut wird. Man hält ihn oft und gern für Wissenschaft. Dabei bedeutet er bloss eine bestimmte Umgangsform mit Wissenschaft. Eine Methode. Die Ansicht aber, dass Wahrheiten nur bedingt gültig sind, hat Wurzeln, die im Übrigen bis auf die griechischen Sophisten zurückgehen. Was für ein Jammer. Fakenews haben sogar Tradition. Immerhin trat Platon gegen die Sophisten an, aber seine Ausführungen über Wahrheiten, die umfassend sind und Bestand haben, unterscheidet sich kaum von der Rede über Götter. Platon, eine Leitfigur abendländischen Denkens, eine Lichtgestalt auch des Christentums.
Das Faktische ist vielleicht eher ein Wunschbild. Eine Sehnsucht nach Bestand und Sicherheit. Nun hat uns das Postfaktische eingeholt. Fakenews gefährden die Demokratie. Man soll über die Dinge richtig Bescheid wissen, damit ein politischer Entscheid gefällt wird, der die Gesellschaft voranbringt. Dabei hängt der Anspruch, richtig Bescheid zu wissen, bereits von einer politischen Entscheidung ab. Ein Arbeitnehmer mit wenig Rücklagen findet staatliche Umverteilung richtig, ein selbständig Erwerbender den freien Markt. Beide nehmen notfalls Rückhalt bei Fachleuten, die sich widersprechen.
Meistens wähle ich, was meinen Interessen entgegenkommt. Ob Fakt oder Fake, spielt dabei keine Rolle. Wenn nun aber jemand Fakten sogar entstellt, damit seine Politik sich durchsetzt, wird der Vergleich mit dem natürlichen Unwissen von früher schwer nachvollziehbar. Bei aller Sorge ist dabei Folgendes zu beachten:
Auch eine erfundene oder entstellte Tatsache muss in einer Demokratie eine Mehrheit finden, damit sie sich durchsetzt.
Denn Demokratie dient gewiss keiner Wahrheitsfindung.
Sondern schlicht der politischen Stabilität.
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