Wenn man Geburtstag hat, erhält man Grüsse von Versicherungen, Hotels, Grossverteilern und der Bank deines Misstrauens. In der Regel pfeifen wir auf solche Glückwünsche. Das gilt aber nicht für alle.

Vor Jahren im Zug schwärmte eine ältere Dame von den Vorzügen ihres ersten Handys. Just in diesem Moment piepste ihr Gerät. Die Telefongesellschaft beglückwünschte sie zu ihrem Geburtstag. Ein schlichter Gruss, vom Computer ausgespuckt, ohne dass irgend jemand die Sache persönlich veranlasst hätte.

Zu meinem Erstaunen jedoch war die Frau darüber von Herzen erfreut. Sie fand selbst diese oberflächliche Geste keineswegs selbstverständlich. Das versuchte ich zu verstehen. Hohle Phrasen, die vorgeben, persönlich gemeint zu sein, finden sich zuhauf: Bankomanten, die ihre Kunden willkommen heissen. Ebenso Willkommensgrüsse, die auf Strassenschildern eingangs von Ortschaften platziert sind. Selbst Websites stellen persönliche Grüsse voran.

Vielleicht liegt die Bedeutung solcher Phrasen anderswo. An Hochzeiten oder Familienfeiern, so erinnere ich mich, wurden Reden gehalten, die genauso allgemein und unpersönlich waren. Sie schienen weniger die Person zu meinen, die gefeiert wurde, als das Ganze, an dem sie, wie alle, beteiligt war: Die Familienbande, die Verwandtschaft, Ahnen und auch Kinder miteingerechnet, die noch nicht geboren sind.

Ehe, Familie, Nation, Vaterland. Geburtstage, Heirat, Konfirmationen, Rekrutierung ins Militär, Aspiranz zum Offizier, politischer Erfolg, Kondolenzen. Diese Momente sind persönlich und allgemein zugleich. Die Person, die im Mittelpunkt steht, wird als Teilnehmer eines grossen Zusammehalts gefeiert, der gerade durch ihre persönliche Leistung in seiner Wirklichkeit bestätigt wird. Alte Zeiten eben. Genauer: Andere Zeiten. Als es noch viel Krieg und Feindschaft gab, die nachklang.

Alle Teilnehmer repräsentierten damals zugleich das Gemeinwesen, dem sie angehörten. Die Dame im Zug fühlte sich als Teil von einem grösseren Ganzen persönlich bestätigt. Sie war es gewohnt, die Dinge so zu sehen. Für sie war es dabei unerheblich, wie der Gruss zustande kam.

Die leeren Phrasen sind deshalb erfreulich, da sie die einzelne Person als Angehörige eines grossen Zusammenhalts herausstellen, in den sie aufgehoben ist.

Dadurch wird sie von sich selbst entlastet.

Ein Vorteil, den meine Generation und andere verkennen, wenn sie leere Phrasen verabscheuen. Wir bevorzugen Persönliches. Und persönlich Gemeintes.

Deshalb gibt es nichts, das uns so leicht von uns selbst entlasten würde, wie es hohle Phrasen tun.