In der Serie «Breaking Bad» geht es vorwiegend um Entsorgung. Die Devise lautet: Entsorgen oder entsorgt werden. Daher spielen auch gewisse Behältnisse eine Rolle.

Ständig neige ich dazu, bei Filmen oder neuerdings in Serien Strukturen zu erkennen, die auf verdeckte Bedeutungen verweisen. Meistens lasse ich mich von solchen Bezügen anfallen. Es ist also nicht so, dass ich sie herauskrame sie zurechtbiege. In jedem Fall ist bei solchen Entdeckungen der Anspruch auf Wahrheit ausgeschlossen. Man begreife es eher als ein Spiel.

In «Breaking Bad» fiel mir irgendwann auf, dass die Handlung oft an einem Pool spielt. Darüber gibt es eine Diskussion im Netz. Man stimmt überein, dass der Pool nie seiner ursprünglichen Aufgabe zur Erholung im Wasser gerecht wird. Stattdessen fällt ein angesengter Teddybär hinein. Der Sohn des Protagonisten kotzt hinein, die Gattin versucht sich darin zu ertränken. Nach einem Kopfschuss rinnt Blut ins Poolwasser, in das später der mexikanische Kartellboss frisch vergiftet hineinplatschen wird. White bringt die elementare Symbolik von Feuer und Wasser zusammen, indem er gedankenverloren Streichhölzer anzündet und sie in den Pool schnippt, wo sie verzischen. Ein anderes Mal möchte er Geldscheine in einem Kugelgrill vernichten, überlegt es sich anders, und schüttet die Banknoten mitsamt glühender Kohle in den Pool.

Die Deutung, wonach der bläulich glitzernde Pool an das exzellente Metamphetamin erinnert, das White kocht, halte ich eher für einen Fingerzeig als für eine Erklärung. Denn die Serie erlaubt es, dass man das Sinnbild Pool auf Behältnisse wie Wannen, Fässer, Gruben, Reagenzgläser und Kochtöpfe überhaupt erweitert, die ebenfalls gehäuft aufrtreten: In aufblasbaren Kinderpools stehend spritzen sich White und sein Gehilfe Jessie gegenseitig von Chemikalien frei. Fässer werden mit Geldscheinen vollgestopft. Sie dienen ebenso zur Auflösung von Leichen. Das gleiche gilt für Badewannen. Geldscheine verschwinden zur Sicherheit vorübergehend in Waschmaschinen. Ein Umstand, der für sich genommen schon doppeldeutig ist.

Alle diese Behältnisse werden zweckentfremdet. Der Blickpunkt der Zweckentfremdung hilft abermals, das Sinnbild auszuweiten, denn auch das Wohnmobil wird zum Meth-Kochen umgenutzt. Und Jugendliche weichen zum Skaten auf den leeren Pool aus.

Der Grundsatz vom Zweck, der die Mittel heiligt, hält Walter White moralisch über Wasser, schliesslich begeht er laufend Kapitalverbrechen wider Willen. Er tut es für die Familie, die wegen seiner Krebsbehandlung bankrott ginge. In der Autowaschanlage werden auch Gelder gereinigt. Und Saul Goodman ist ein Anwalt für alle erdenklichen Zwecke.

Die Moralität der Hauptperson hält allerdings nicht lange. Es gehört zu den wesentlichen Vorzügen dieser Serie, dass sie Whites Heldenstatus annulliert, indem sie ihn als fähigen Kriminellen auf einen Egotrip schickt, der einem biederen Chemielehrer mit Krebsdiagnose eigentlich nachzusehen wäre.

Die gesamte Geschichte startet bei einem politischen Problem, nämlich bei der Gesundheitspolitik der Vereinigten Staaten. Hierzulande hätte der Krebspatient White die nötigen Chemos von seiner Krankenkasse finanziert bekommen, die den Regeln sozialer Marktwirtschaft folgt.

Die meisten der genannten Behältnisse, ausser der ungesetzlichen Wertschöpfung des Meth-Kochens, dienen dem Verstecken oder Entsorgen von problematischen Dingen. Immer wieder gilt es, Spuren zu beseitigen oder in Lügenkonstrukten unkenntlich zu machen.

Walt White begibt sich auf Abwege, damit er verhindert, dass er und seine Familie mit Baby und leicht behindertem Sohn von einer republikanischen Gesellschaft entsorgt wird, die Selbstbestimmung über alles stellt.

Entsorgung ist vielleicht der Schlüsselbegriff für diese Serie, nach meiner Lesart zumindest. Die Wüste kommt auch hier als beliebte Entsorgungsstätte zum Einsatz. Nicht umsonst steckt die Inszenierung uns Zuschauer öfters in Abfalleimer, in Schmutzwäsche oder in Pfannen, aus deren Tiefe wir mit Fischauge herausgucken, immerhin geschützt durch Glas. So bekommen wir mit, wie abfällig die Entsorger darin nachsehen oder in der Masse herumhantieren, in der wir stecken. Hank inszeniert mit tierischem Gehirn eine Tötung und entsorgt das Fleisch im Eimer, wo es von seiner Gattin gefunden wird. Sie erkundigt sich danach. Warum sollen wir das mitbekommen? Dieser ekelhafte Fund trägt nichts zur Geschichte bei. Oder eben doch. Um aus der Gesellschaft zu verschwinden, muss man die verdeckte Nummer eines Staubsaugergeschäfts anrufen und einen Filter bestellen. Das heisst soviel wie: Filtere mich heraus! Entsorge mich!

Für diese Amerikaner, ungewollt auch für White, gilt das Leben vor Ort, das notfalls auf Moral und nationale Gesetzgebung keine Rücksicht nimmt, damit es jederzeit Mittel nach seinem Richtmass einsetzt, auch wenn dabei eine gewisse Umnutzung und damit Zweckentfremdung unvermeidlich sind.

Diese harte Politik wurzelt im nordamerikanischen Siedlertum. Auf sich gestellt waren sie zum Überleben auf alle möglichen Mittel angewiesen. Sie sorgten vor, verwischten Spuren, vor Bären genauso wie vor Indianern. Oder sie kamen ihnen zuvor, indem sie sie vorweg entsorgten, wohlwissend, dass auch sie von ihnen als Gefahr ohne Weiteres entsorgt werden könnten. Und niemand würde sie beschützen.

Entsorgung bedeutet für uns eine Art ökologische Kür. Für Siedler hiess es Abwehr von Gefahr des zerbrechlichen Gemeinwesens. Krebskranke und Behinderte bedeuten, sofern man republikanisch gesinnt ist, genauso eine Gefahr für ein Gemeinwesen, wenn es Gesetze aufgedrückt bekommen hat, die befehlen, Überschüsse an diese Bedürftigen umzuverteilen. Walt White denkt und handelt republikanisch, wenn er seinen Krebs eigenhändig mit den Mitteln angeht, die ihm zur Verfügung stehen. Auch die Risiken nimmt er voll auf sich.

Die harte republikanische Politik hat im Siedlertum ihr Herz. Um sie zu verstehen, lohnt sich eine andere Serie zu schauen. Sie heisst: «Unsere kleine Farm.»

Auch dort tut ein Vater alles für seine Familie. Ein Vergleich zu Walt White wäre sehr aufschlussreich.