Wer hat Angst vor künstlicher Intelligenz? Ich nicht. Es sei denn, aus arbeitspolitischer Sicht.
Die Meldung, dass künstliche Intelligenz Musik hervorzubringt, hat diese Angst frisch genährt. Vielleicht klingt es überheblich, aber auch sie bringt mich nicht aus der Ruhe. Was immer künstliche Intelligenz hervorbringt, ist in den Algorithmen ihrer Prorgrammierung angelegt. Auch wenn sie angeblich selbst lernt, wird sie in Schlaufen geschickt, die wohl in einer Architektur diverser Metaebenen organisiert sind. Die Magie liegt im Ausdruck «lernen». Genau wie die Bezeichnung «Intelligenz» kommen hier Begriffe zur Anwendung, die eigentlich lebendigen Sachverhalten vorbehalten sind. Solche Übertragungen geschehen laufend, wie die Geschichte der Wissenschaft zeigt. Darwin zum Beispiel betont deshalb, er spreche nur sinnbildhaft von der Natur als «Züchterin», aber gewiss nicht sachlich.
Es ist fraglich, ob diese Übetragung bei Künstlicher Intelligenz gerechtfertigt ist. Ich meine, nein. Oder nur dann, wenn sie sinnbildhaft gemeint ist, wie Darwins Sorgfalt im Denken es nahelegt. Denn künstliche Intelligenz lässt sich abtrichlos als Mechanik durchschauen. Es fliesst Strom oder nicht. Der jeweilige Moment ist in jedem Fall programmiert. Daran ändert ihre wundersam wolkenartige und global vernetzte Organisation gar nichts.
Die gleiche handliche Klarheit ist bei lebendiger, sprich organischer Intelligenz nicht gewährleistet. Selbst nach Jahrzehnten der Gehirnforschung bleibt das Denken ungeklärt. Wäre es eine Mechanik, hätte man seinen Schaltplan längst durchschaut. Aber das Gegenteil ist der Fall. Je mehr Wissen dazu erarbeitet wird, desto schwieriger wird es, Denken zu erklären. Die Multifunktionalität einzelner Gehirnregionen zum Beispiel spottet jeder mechanischen Erklärung. Eine vergleichbare Schwierigkeit ist mir bei künstlicher Intelligenz unbekannt.
Die Begriffe «Lernen» und «Intelligenz» bedeuten Dinge, die vertraut, aber ungeklärt sind. Wir übertragen sie auf einen Sachbereich, der von Anbeginn als Mechanik durchschaut ist. Warum soll das zulässig sein? Wir tun es einfach. Nun kann man besorgt die Möglichkeit bedenken, dass sich selbst aus mechanischen Zusammenhängen desto eher eine zuvor unbekannte Eigenschaft herausbildet, je feiner sie verschaltet sind. Dieser Vorgang heisst Emergenz. Ein Zauberwort aus der Wissenschaft. Auch dieser Einwand greift nur, wenn man die körperliche Grundlage natürlicher Intelligenz als rein mechanisch voraussetzt. Lebendige Körper sind aber nicht aus Teilen zusammengesteckt, wie es bei künstlicher Intelligenz der Fall ist, sondern sie sind gezeugt und geboren und wachsen und sterben. Genauer beruht natürliche Intelligenz auf einer Körperlichkeit, die aus Stammzellen hervorgegangen ist. Zellen somit, die für jede Funktion in Frage kommen. Diese Multifunktionalität verbietet es, dass wir im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz von Lernen und überhaupt von Intelligenz sprechen.
Angst werde ich erst dann bekommen, wenn künstliche Intelligenz selber Algorithmen schreibt.
Dann müssten wir ihr wohl den Stecker ziehen.
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