Eine kleine Geschichtstheorie gefällig? Schlechte Zeiten bringen gute Menschen hervor. Gute Menschen sorgen für gute Zeiten. Gute Zeiten bringen schlechte Menschen hervor. Schlechte Menschen verantworten schlechte Zeiten. Diese bringen wieder gute Menschen hervor und so fort.

Daraus lässt sich nur wenig schlussfolgern. Zum Beispiel dies, als Imperativ in Worte gefasst: Vermeide gute Zeiten! Oder: Sorge für schlechte Zeiten. Das heisst: Sei ein schlechter Mensch, damit es gute Menschen gibt.

Niemand nimmt das ernst, obwohl dieser Schluss notwendig, sprich vernunftgemäss aus den genannten Vorannahmen folgt. Das Beispiel dient als Fingerzeig auf die Grenzen rationalen Vorgehens. Der Schluss wäre also zwingend vernünftig, die meisten Vorannahmen unmittelbar einsichtig. Gerade eine der mittleren Prämissen, jene, die besagt, dass gute Zeiten schlechte Menschen hervorbringen, dürften viele mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte für bestätigt halten.

Diese hübsche Geschichtstheorie ist übertrieben einfach, wie es einzuwenden naheliegt. Dabei vergisst sich leicht, dass Theorien grundsätzlich die Sachlagen vereinfachen, auf die sie sich beziehen. Ganze Weltbilder garantieren nur deshalb Sinn, weil sie gewisse Aspekte der so genannten Wirklichkeit ausklammern, verteufeln oder schlicht übersehen.

Sinn ist eine menschliche Reduktionsleistung. Vielleicht sind wir deshalb ausserstande zu einer schlüssigen Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Denn das wäre ein Sinn, der notwendig alle Aspekte jeder Wirklichkeit zu berücksichtigen hätte, ob sie nun gegenwärtig, vergangen oder zukünftig sind. Widersprüche suchen wir theoretisch zu glätten. Sie gehören aber vollwertig dazu.

Dafür gibt es keine Theorie. Eben weil Theorien die Dinge vereinfachen. Ihre natürliche Ökonomie verbietet einen solchen Geltungsbereich.