Die Fantasywelt ist ernster zu nehmen, als ich vermutet hätte.
An dieser Messe braucht man nur stehen zu bleiben und begegnet doch einer grandiosen Vielfalt, die da vorbeiströmt. Viel Individuelles ist aber nicht zu sehen, falls man darauf besonderen Wert legt. Das Individuelle zeigt sich höchstens in der Wahl der Figur, die man bevorzugt.
Die Figuren, die man in mehr oder weniger aufwändig gestalteten Kostümen antrifft, sind in ihrer Eigenart festgelegt. Und wie immer bei Mythen sind diese Charakteren eher schlicht gehalten, obwohl mancher eine Geschichte durchläuft, die ihn verändert. Im Alltag hat man es zur Genüge mit Charakteren zu tun, die eher farblos sind, undurchsichtig oder enorm wechselhaft und schwierig.
Niemand findet diesen Aufmarsch kindisch oder lächerlich. Das wäre eine Mutprobe der eigenen Art: Durch die Comic-Con kurven und alle auslachen. Vermutlich würde das gar nicht wahrgenommen. Das Ganze wirkt gleichgeschaltet, aber nicht auf Befehl. Eine Gleichschaltung, die aus freien Stücken zustande kommt, muss man als etwas Natürliches ansprechen. Demnach geht es um Bedürfnis und Methode. Gewiss werden über die gemeinsame Lieblingsfigur Bekanntschaften geschlossen. Aber das erscheint nur zweitrangig. Die Sache deutet eine Ernsthaftigkeit an, die tiefer liegt. Die Nerds von BBT, die nebenbei schlaflose Nächte verleben, bevor sie ihrerseits an eine Comic-Con fahren dürfen, finden Verständnis füreinander, indem sie sich gegenseitig mit Fantasy-Charakteren vergleichen. Ihre Einfachheit macht alltagsökonomisch Sinn. Und vielleicht müssen wir anerkennen, dass das Bedürfnis, seine Identität zu wechseln, über die Kindheit hinausreicht.
Wir Menschen verstehen mehr von der Welt, als zum Überleben nötig. Das betrifft auch unser Selbstverständnis, unsere Identität, wie wir sie uns im Austausch mit anderen zurechtlegen.
Oder wie sie sich uns aufdrängt.
Die Berufe, die wir ausüben, geben in Sachen Identität nicht viel Aufregendes her. Auch im alltäglichen Umgang ist eher eine wohlgedämpfte Eigenart wünschenswert. Von Mädchen, die mit Barbies spielen, heisst es, sie stellten sich damit vor. Das hat wiederum etwas Methodisches an sich. Also fange ich an, den verkleideten Leuten so zu begegnen, dass sie etwas über sich mitteilen.
Die Kleine meiner Freundin, die ich zur Cosplayer-Show begleite, hat sich auf die Frau von Joker eingeschossen. Eine Figur, die im Wahnsinn aufblüht. Bei dieser Wahl müsste ich eigentlich in Sorge vergehen. Der Joker, den wir treffen, wirft ihr Handküsse zu, als sie ihm das Poster von Marlin zeigt, das sie sich gekauft hat.
Und auf einmal verrate auch ich etwas von mir, indem ich unverkleidet dastehe.
Mit der kleinen Wahnsinnigen neben mir.
Irgendwann fällt mir das Kunterbunt an Historischem auf: Waffen, Rüstungen, Werkzeuge. Köcher, Lederbeutel, Trunkflasche, Fellzeug. Dann Seriefeuerwaffen mit phantastischem Design, Laserschwerter für den Hausgebrauch. Bei aller Zustimmung gilt es, anzuerkennen, dass uns die Wohlstandsgesellschaft urtümliche Kulturtechniken vorenthält, indem sie sie für alle übernimmt: Jagen, Nahrung beschaffen, Wettkämpfe ausfechten, um die Besten zu ermitteln. Nicht zu vergessen: Das Töten. Von Menschen, versteht sich. Niemand will solche Beschwerlichkeiten auf sich nehmen.
Vielleicht ist es einer Art Instinkt geschuldet, dass wir ohne diese Erfahrungen uns nur als halbe Menschen fühlen.
Diese Spiele und Comicwelten binden eine überschüssige Intelligenz in friedfertiger Weise.
Ansonst würde sich manch einer solche Erfahrungen real holen wollen. Dafür gibt es von früher Beispiele genug.
Damit würde man die empfindliche Öffentlichkeit stören, die eine Wohlstandsgesellschaft nun einmal annimmt.
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