Die Misere in Nahost beruht letztlich auf christlichem Judenhass. Diese These drängt sich auf, wenn man die verzwickte Sachlage zeitlich der Reihe nach auseinanderlegt. Dieser Hass bereitete den Nährboden für Hakenkreuz und Shoa. Eine Idiotie schlechthin. Für diese Einsicht braucht man weder Gläubiger, noch Philosemit zu sein.
Die Peinlichkeit beruht auf miserabler Bibellektüre. Der Vorwurf lautet, die Juden hätten Jesus getötet. Für sich genommen ist das schon falsch. Physisch zu Tode gebracht wurde er von römischen Soldaten, die entsprechende Befehle ausführten. Laut Text, versteht sich. Ob die Sache historisch zutrifft, ist hier grundsätzlich ohne Belang. Das ändert nichts daran, dass die Juden, genauer die Pharisäer dafür verantwortlich sind, weil sie den Nazarener den Römern überstellten. Auch dieser Umstand müsste den Hass auf jüdische Geistliche beschränken.
Die Pharisäer klagten, Jesus beanspruche, Sohn Gottes zu sein. Das hat er nie ausdrücklich bestätigt, aber auch nie ausdrücklich verneint. Dabei ist interessant, dass das Verhältnis der Juden zu ihrem Gott selbst etwas von einer Kindschaft an sich hat, aber Zeugung gilt dabei für ausgeschlossen. Den Pharisäern ist es untersagt, den Frevler zu töten. Daher liefern sie ihn als politische Gefahr an die Besatzer aus, mit der Unterstellung, er habe sich König der Juden genannt. Interessant dabei ist, dass die Pharisäer zwar Geistliche waren, politisch aber legalen Widerstand gegen Rom unterstützten. Daher verstand der Statthalter Pilatus nicht, warum seine Gegner ihn vor einer politischen Gefahr warnten, die überdies unbewaffnet und in Sandalen daherkam. Aus der Gleichung aber, dass die Pharisäer Rom als ihren politischen Feind um Partnerschaft ersuchten, wurde ihm die seltsame Bedeutung dieses Wanderpredigers klar, auch wenn sie ihm gleichgültig war. Die Peitschung sollte das Problem aus der Welt schaffen. In der Regel überlebte man diese Prozedur nicht, denn die Lederriemen waren mit Widerhaken versehen. Den einzigen Ausweg sah Pilatus darin, dass er den Brauch nutzte, das Volk an Ostern einen zum Tod Verurteilten begnadigen zu lassen. Per Mehrheitsbeschluss also. Der Nazarener war dann aber doch zu wenig bekannt, als dass er das Rennen für sich entschieden hätte. Und die Annahme ist unsinnig, es hätten sich zum Zeitpunkt dieses Entscheids ausschliesslich Juden vor Ort befunden, da die Stadt Jerusalem seit je ein Völkergemisch beherbergt.
Zur Tötung Jesu führt kein direkter Weg. Es sind einige Gabelungen zu beachten oder Weichenstellungen, wo jeweils andere Verantwortlichkeiten herrschen. Die Sachlage definiert sich sogar als Verantwortungsdiffusion. So etwas mögen wir nicht. Menschen wollen Schuldige unzweifelhaft dingfest gemacht bekommen, damit sie darauf loshauen können. Dazu muss man die Sachlage eben auf eine Losung verkürzen, wie etwa die Juden seien Mörder Jesu.
Dabei wird eine wesentliche Gabelung übersehen. Sie steht sogar am Beginn dieser Situation, wodurch sie strenggenommen alle Weichenstellungen mitverantwortet, die darauffolgen: Denn Jesus selbst hat für seinen Tod gesorgt, indem er trotz Vorwissen in Jerusalem verblieb. Genau wie Sokrates ein paar Jahrhunderte vor ihm. Dabei war der Nazarener auch rechtzeitig gewarnt worden. Er feierte sogar seinen Abschied.
Diese eine Gabelung, warum Jesus nicht floh, sollte die Christenheit beschäftigen.
Der Rest ist Beiwerk.
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